Der Mann der nicht zu hängen war
sich ja sogar um die Einfuhr eines Kunstwerkes. Was haben Sie dafür bezahlt?«
»10 000 Dollar.«
»10 000 Dollar!? Für ein Kloster? Und das soll ich Ihnen glauben? Der spanische Bauer hat sich ganz schön übers Ohr hauen lassen!«
»Möglich, aber hier haben Sie die Quittung und den Kaufvertrag.«
»Glauben Sie etwa, wir vom Zoll sind so beschränkt, daß wir nicht wissen, was solche Rechnungen wert sind? Meinen Sie, wir wissen nicht, was gespielt wird. Also, raus mit der Sprache: Was ist das Kloster wert? Wann wurde es überhaupt gebaut?«
»1141. Erste Hälfte des 12. Jahrhunderts.«
»Werden Sie nicht unverschämt!« Der Zollchef denkt nach: »Also gut. Was kann so ein Ding wert sein? Was hat es eigentlich für einen Stil?«
»Zisterziensisch.«
Der Beamte schlägt im Fremdwörterbuch nach: »Aha, hier: >Zisterziensisch... siehe Benediktinisch. Gut. Also: Benediktinisch... religiöser Orden... vom heiligen Benedikt gegründet, und so weiter... Nach der Reform im 10. Jahrhundert bildeten sich aus dem benediktinischen Stamm mehrere Zweige: Zisterzienser, Trappisten, Feuillantiner, Kamaldulenser, Zölestiner.< Blödsinn, damit kommen wir auch nicht weiter... Ah, hier steht was: zisterziensische Architektur: einfacher und strenger Stil.«
Larry beißt sich auf die Zunge, um nicht zu lachen. »Sehen Sie, so ein Stil kann doch gar nicht teuer sein.« Und endlich — allerdings erst nach zwei Monaten — beschließt das New Yorker Hafenzollamt folgendes:
1. Die Vereinigten Staaten von Amerika produzieren keine Klöster aus dem 12. Jahrhundert. Demzufolge fügt der Import dieses Klosters der nationalen Industrie keinen Schaden zu.
2. Der Importeur William Randolph Hearst hat nicht die Absicht, das Kloster weiter zu veräußern, sondern seiner Frau zu schenken. Demzufolge kann das Kloster als »persönliches Geschenk« deklariert werden.
3. Das amerikanische Zollgesetz weist keine Rubrik für Klöster auf. Demzufolge ist alles in Ordnung: Das Kloster darf den Zollbereich verlassen.
Der junge Architekt kann es noch gar nicht fassen: Endlich hat er es geschafft! Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung geht er zum Schiff.
»Was wollen Sie abladen?«
Larry dreht sich ganz langsam um. Sein Seufzer bleibt ihm im Hals stecken. Nach Luft ringend sieht er sich einem sterilen Herrn vom Gesundheitsamt gegenüber. Kaum zu glauben, aber er faßt sich erneut und antwortet zynisch:
»Abladen? Nichts Gefährliches. Nur den >Bausatz< eines zisterziensischen Klosters. Wenn es ansteckend wäre, wüßte man es seit dem 12. Jahrhundert. Wenn überhaupt — dann hat es nur christliche Bakterien verbreitet!«
Larrys eisiger Humor beeindruckt den sterilen Herrn vom Gesundheitsamt in keiner Weise: »Und wie ist das Kloster verpackt?«
»In Kisten. In Holzkisten. Die 35 874 Steine sind mit Stroh in 10 751 Holzkisten eingepackt.«
»Aha, mit Stroh. Da haben wir’s.«
»Ja, mit Stroh. Damit die Steine nicht hin und her rutschen oder zerbrechen.«
»Also mit spanischem Stroh?«
»Was soll das heißen: >mit spanischem Stroh Mit Stroh halt..., natürlich mit spanischem Stroh. Haben Sie was gegen die Spanier?«
Das Gesicht des Sterilen wird immer verschlossener: »Und wie viele Kisten sind es, sagen Sie?«
»10 751. Warum?«
»Weil sie alle geöffnet werden müssen.«
»Was sagen Sie da?«
»Ich sagte, daß jede einzelne Kiste geöffnet werden muß- Wir müssen das Stroh entfernen, verbrennen, die Steine desinfizieren und sie mit neuem Stroh —mit amerikanischem Stroh — wieder in die Kisten packen. Wir lassen es einfach nicht zu, daß mit spanischem Stroh spanische Krankheitserreger ins Land kommen.«
Larry könnte heulen. Dieser Kerl muß ein fürchterlicher Rassist sein! Wo steht bloß geschrieben, daß ein spanischer Keim kein Immigrationsrecht hat? Wer sagt denn, daß es mehr Bakterien in spanischem Stroh gibt als in amerikanischem? lind wenn auch, warum soll ein spanisches Bakterium aggressiver als ein amerikanisches sein? Und überhaupt, wo hat dieser Gesundheitsfanatiker Keime gesehen und als spanische erkannt? Der Beamte versteht keinen Spaß. In Amerika spaßt man nicht mit der Hygiene. Man ist gründlich... Und es dauert drei Jahre. Schließlich können nur Beamte, in diesem Fall Gesundheitsbeamte, solch eine schwierige Arbeit gewissenhaft verrichten. William Randolph Hearst jedenfalls kostet diese Desinfizierungsaktion nicht nur drei Jahre, sondern auch 75 000 Dollar. Während dieser drei Jahre arbeitet
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