Der Mann, der sein Leben vergaß
die Hände leicht aneinander reibend. Als der Wagen in der Ferne zwischen den Palmen verschwand, lächelte er und nahm das Einglas aus dem Auge. Sein Gesicht war merkwürdig hart und kantig.
Es war ein Lächeln, das auf den Lippen gefror.
Das Lächeln eines Spielers vor dem Fall der schicksalhaften Kugel … vor dem letzten Einsatz …
7
Über die Küstenstraße nach Azenhas do Mar raste eine große, starke Limousine.
Kriminalkommissar Selvano saß weit zurückgelehnt hinter dem Steuer, nagte an der Unterlippe und sagte sich zum ungezählten Male, daß er kein Kriminalist, sonder nur ein riesengroßer Trottel sei. In der Hand hielt er das neueste Telegramm aus Santa Cruz und die Meldung des Polizeifunks Dakar.
Knirschend hielt der Wagen unterhalb der Felsenvilla von Dr. Albez. Sofort sprang Selvano heraus und rannte gegen Primo Calbez, der den Kommissar geschickt auffing.
»Na, na, Chef«, sagte er gutgelaunt. »Sie brauchen mir vor Freude nicht gleich um den Hals zu fallen!«
»Freude?!« Selvano holte tief Luft. »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, daß Sie, Primo Calbez, und ich, Antonio de Selvano, die größten Idioten unserer Zeit sind! – Genügt das?!«
»Vollauf! Das genügt!« antwortete Calbez trocken. »Und wenn ich auch nicht weiß, woher diese plötzliche Erkenntnis kommt, glaube ich doch, daß es besser ist, wenn wir erst einmal ins Haus gehen und uns die Galgenvögel, die ich gefangen habe, ansehen!«
»Mich interessieren Ihre kleinen Spiönchen gar nicht – hier« – Selvano schwenkte das Telegramm durch die Luft –, »hier, Calbez, kommt es knüppeldick über uns! Hier können Sie Ihre Pensionierung lesen!«
»Ach nee!«
»Ach ja! Oder wissen Sie, wo die Leiche des Verunglückten hin ist?!«
»Die Leiche des angeblichen Manolda?«
»Ja!«
»Im Bullerloch, natürlich. Ich war doch bei dem Begräbnis dabei. War ein trauriges Begräbnis. Anwesende: die Polizei und drei Ärzte, die bis zuletzt um den Körper für ihre Anatomie gerungen hatten und nun ihren Traum mitbegruben.«
»Ihr Galgenhumor wird gleich verflogen sein«, schrie Selvano, während sie den steilen Felsweg zu der weißen Felsenvilla emporkletterten. »Die Leiche ist fort!«
Primo Calbez blieb entgeistert stehen.
»Fort? Wieso?« fragte er geistreich.
»Ja, fort!« äffte Selvano ihm nach. »Gestohlen!«
»Eine verbrannte Leiche gestohlen?«
»Genau das! Das Grab ist in der Nacht geöffnet worden, und der Tote ist verschwunden! Und wissen Sie – warum?! Weil ich heute den Toten exhumieren wollte, weil mir der Gedanke kam, daß es doch Manolda ist, weil ich eine sichere Spur hatte! Weil … weil … weil. Der Tote ist weg! Man kennt genau unsere Pläne, ja, man weiß genau, wie unsere Untersuchung läuft! Und, Calbez – jetzt, wo die Leiche gestohlen ist, weiß ich, daß der Tote der Konsul Manolda war und daß – Calbez, Sie Höllenhund hatten doch recht – Konsul Manolda ein Mitglied, wenn nicht sogar das Haupt einer internationalen Rauschgiftschmugglerbande war!«
Calbez' Augen leuchteten auf. Sein Schritt wurde schneller.
»Sie werden staunen, Chef«, rief er, »was ich aus den Burschen, die mich als José Biancodero bewachen sollten, herausgequetscht habe! Genau das Gegenstück, das Ihnen für den vollen Beweis noch fehlt!«
Doch Selvano schien sich im Augenblick noch nicht für die Aktionen Primo Calbez' zu interessieren. Er hielt schweratmend von dem steilen Weg im Gehen inne und reichte Calbez das neueste Telegramm aus Santa Cruz hin.
»Hier, lesen Sie! Das haut Sie vollends um: Juan Permez ist tot!«
»Permez? – Er begleitete doch Biancodero!«
»Er wurde gestern auf der Jacht Anita durch einen Dolchstoß in den Rücken ermordet! Der Mörder, ein großer, brauner Herr in guter Tropenkleidung mit einem englischen Akzent – wie der 2. Offizier mitteilt – ist unbekannt. Der Mord geschah zu der gleichen Zeit, in der Biancodero mit Baron v. Pottlach auf dessen Plantage verhandelte.«
Calbez zuckte hoch.
»Chef«, rief er, »ich würde sofort den Baron v. Pottlach verhaften lassen!«
Selvano lächelte. Er schwenkte das Telegramm aus Dakar.
»Ist bereits geschehen! Der Gute war auf der Flucht nach Dakar, wohin auch Biancodero fuhr. Wahrscheinlich wollte er seinen Geschäftspartner in den dunklen Hafenvierteln still und gefahrlos für ihn verschwinden lassen! Von Pottlach wurde in dem Augenblick verhaftet, als er an Land ging. Biancodero ist auf der Fahrt zurück nach Lissabon. Die Kette
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