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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß
Autoren: John O'Farrell
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Zeremonie die Musik hatte einspielen sollen, drückte in ihrer Nervosität versehentlich auf »Play«, und »She Loves You« von den Beatles plärrte aus den Boxen. Da ich nicht recht wusste, wohin ich schauen sollte, warf ich meinem Sohn ein aufmunterndes Lächeln zu, doch er starrte mich nur an, mit dem ganzen Furor eines Kindes, das vom eigenen Vater verraten worden ist.
    »Ach du Scheiße«, sagte Gary schließlich. »Nicht schon wieder.«

24. KAPITEL
    Nach Maddys Abgang war die Partystimmung natürlich im Keller. Das nicht ganz ernst gemeinte Motto – »Aus der Ehehölle in den Scheidungshimmel« – hatte seinen ironischen Touch verloren, nachdem die Braut dem Bräutigam ihren Strauß ins Gesicht geschleudert hatte und mit den goldenen Worten, sie wolle ihn nie mehr wiedersehen, von der Bühne gestürmt war. Zwar versuchte Gary etwas hilflos, den einen oder anderen seiner einstudierten Witze an den Mann zu bringen, doch selbst er musste bald einsehen, dass er damit auf verlorenem Posten stand. Schließlich lief ich Maddy hinterher, aber sie hatte sich den Autoschlüssel geschnappt und raste so aggressiv davon, wie es mit einem Honda Jazz Automatic eben geht.
    Ursprünglich hatte sie bei einer Freundin Trost und Rat suchen wollen, doch nachdem sie ein paar Minuten ziellos vor sich hin gefahren war, wurde ihr klar, dass all ihre Freundinnen zusammen mit ihrem ehebrecherischen Gatten in unserem Garten weilten, weshalb sie schließlich auf dem Parkplatz einer Sainsbury’s-Filiale landete, und als der Mitarbeiter der £5-Waschstraße meinte, ihr Wagen sei doch ziemlich dreckig, brach sie von Neuem in Tränen aus.
    Die Gäste machten sich einer nach dem anderen auf den Heimweg und bedankten sich verlegen, nicht ohne zu betonen, im Großen und Ganzen sei die Party doch recht nett gewesen. Einer nahm sein Hochzeitsgeschenk wieder mit. Abends kam Jean vorbei, holte ein paar von Maddys Sachen und erklärte den Kindern, ihre Mummy werde ein oder zwei Tage bei ihrer Mummy wohnen und sie später anrufen.
    »Wenn ich doch nur einen Augenblick lang mit ihr sprechen könnte«, flehte ich. »Könntest du ihr sagen, dass ich sie dringend sprechen muss?«
    »Sie braucht jetzt erst einmal ein wenig Abstand , Vaughan. So etwas kommt in jeder Beziehung vor …«
    Als sie wieder weg war, dachte ich über ihre Worte nach und gelangte zu dem Schluss, dass so etwas ganz sicher nicht in jeder Beziehung vorkam. Mann und Frau trennen sich, er erleidet einen Nervenzusammenbruch, der einen totalen Gedächtnisverlust zur Folge hat, liegt eine Woche namenlos im Krankenhaus, sieht seine Nochehefrau, als wär’s das erste Mal, verliebt sich in sie, mogelt sich durch einen Gerichtstermin, widerruft seinen Scheidungsantrag, gewinnt seine Frau schließlich zurück, als ihm während der Party zur Feier ihres gemeinsamen Neuanfangs plötzlich einfällt, dass er ihr untreu gewesen ist, was er ihr auch prompt mitteilt, worauf sie sich gleich wieder von ihm trennt. Wenn so etwas in jeder Beziehung vorkam, hätte ich gern den entsprechenden Ratgeber gelesen und mir die gestellten Fotos auf den Lebenshilfeseiten der Boulevardpresse angesehen, auf denen verwirrt dreinblickende Unterwäschemodels steif posierten.
    Maddy blieb dann doch nicht nur zwei Tage fort, und so schlüpfte ich in die Rolle des gestressten, alleinerziehenden Vaters, der die Kinder morgens in die Schule brachte, dann zur Arbeit hetzte, nach Feierabend heimwärts eilte, um Abendbrot zu machen, und ihnen bei den Mathehausaufgaben keine große Hilfe war. Nach dem Essen setzten wir uns aufs Sofa, um »noch ein Stündchen fernzusehen«, und ein paar Stunden später weckten mich die Kinder, um mir mitzuteilen, sie gingen jetzt ins Bett.
    Jamie und Dillie telefonierten zwar regelmäßig mit ihrer Mutter, fragten sie aber nie, wie es langfristig weitergehen sollte. Doch passive Akzeptanz ist nun einmal nicht dasselbe wie innere Zufriedenheit.
    »Möchtest du Nudeln mit Tunfischsauce oder Würstchen mit Kartoffelbrei?«, fragte ich Jamie am zweiten Abend.
    »Mir egal«, antwortete mein Sohn achselzuckend.
    »Egal gibt’s nicht. Nudeln mit Tunfisch?«
    »Meinetwegen.«
    »Oder Würstchen mit Kartoffelbrei?«
    »Meinetwegen.«
    »Was denn nun?«
    »Mir egal.«
    Ich stieß einen verzweifelten Seufzer aus. »Was ist dir lieber, Dillie?«
    Der armen Dillie war alles recht, solange es zur Lockerung der Atmosphäre beitrug, und so bemühte sie sich nach Kräften, möglichst wenig Anstoß zu
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