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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß
Autoren: John O'Farrell
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lang nach der Arbeit heimlich in ihre Wohnung geschlichen und Maddy etwas von Schulaufführungen oder Lehrerkonferenzen vorgelogen; schließlich hatte ich sogar ungefragt an einer Klassenfahrt nach Paris teilgenommen, nur um mich in Yolandes Hotelzimmer stehlen zu können, wenn die anderen Kollegen und die Schüler im Bett lagen und schliefen.
    Und jetzt, nach allem, was passiert war, stand ich hier, neben der Frau, die ich liebte, und ekelte mich vor mir selbst, weil ich Madeleine so schamlos hintergangen und betrogen hatte. Wenn ich mich recht erinnerte, fiel die Affäre in die Schlussphase unserer Ehe, als jede normale Kommunikation unmöglich geworden war. Maddy und ich hatten schon seit Monaten nicht mehr zusammengelebt wie Mann und Frau, geschweige denn miteinander geschlafen. Aber wenn ich das Gefühl gehabt hatte, meinen Fehltritt moralisch rechtfertigen zu können, warum hatte ich ihr dann nie davon erzählt, warum hatte ich dieses Geheimnis so sorgsam gehütet, dass es als eine der allerletzten Erinnerungen wieder hochgekommen war?
    Ich sah zu Gary, der seine Standup-Nummer beendet hatte und der versammelten Gemeinde erklärte, was es mit dem Gelöbnis auf sich hatte, das Maddy und ich abzulegen uns anschickten. Ich sah meine Frau an; sie erwiderte den Blick und zog einen gespielten Flunsch. Ich schaute zu meiner Tochter, die vor lauter Begeisterung über die ebenso lustige wie romantische Party ihrer Eltern in die Hände klatschte. Jamie beobachtete seinen Vater, der auf der provisorischen Bühne stand und Blut und Wasser schwitzte, und streckte unauffällig den Daumen hoch.
    Immer neue Einzelheiten meiner Affäre schossen mir durch den Kopf. Ich erinnerte mich deutlich an das überwältigende Gefühl des Verbotenen, das ich beim ersten Mal empfunden hatte. Es gab unendlich viele gute Gründe, die dagegen sprachen, mit der kleinen Französin ins Bett zu gehen. All diesen durchaus stichhaltigen und überzeugenden Argumenten stand jedoch die unbestreitbare Tatsache entgegen, dass sie splitternackt vor mir lag. Es gibt Momente, in denen das komplexe Kräftegleichgewicht der männlichen Psyche durcheinandergerät und das kollektive Urteilsvermögen von Herz, Seele und Verstand vom Penis ausgehebelt wird.
    Ich erinnerte mich, wie ich das erste Mal nach Hause gekommen war, nachdem ich mit einer anderen Frau geschlafen hatte, voller Sorge, dass Maddy mir etwas anmerken könnte, dass sie es mir an der Nasenspitze ansehen oder ich im Schlaf etwas Verräterisches von mir geben würde. Doch wir schauten uns schon seit Monaten nicht mehr in die Augen; die Stimmung war zu feindselig und zu geladen, als dass Maddys Antennen Signale unterdrückter Reue aufgefangen hätten. Auch konnte ich es ihr natürlich nicht sagen. Sie war aus allen möglichen Gründen wütend auf mich, und mir ging es umgekehrt nicht anders. Wenn sie es erfuhr, machte das die ganze Sache nur noch schlimmer. Ob wir uns nun trennten oder unsere Ehe zu retten versuchten, meine Tat war unverzeihlich. Weshalb Maddy unter keinen Umständen davon erfahren durfte.
    Aber all das war Vergangenheit. Jetzt und hier, in unserem neuen Heim, hatte sie ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, bevor wir zusammen einen neuen Anfang wagten. Ich musste mich zu meiner Sünde bekennen. Nur: wann, wenn nicht jetzt? Heute Abend, nachdem wir uns von den letzten Gästen verabschiedet hatten und den Geschirrspüler einräumten? »War das nicht ein wunderschöner Tag? Ach, übrigens, vor einer Weile habe ich mit einer Kollegin geschlafen.« Morgen früh im Bett, bei einer Tasse Tee? Gibt es einen geeigneten Zeitpunkt, um seiner Frau einen Seitensprung zu beichten? Ich wünschte, es gäbe einen offiziellen Leitfaden zu diesem Thema. Bevor oder nachdem man sich vor Freunden und Verwandten ewige Treue schwört? »Wenn du sofort geständig wärst, könnte ich mich möglicherweise dazu durchringen, dir zu verzeihen …« Das waren ihre Worte gewesen.
    Gary hatte seine Rede beendet, doch bevor wir zum Höhepunkt des nachmittäglichen Unterhaltungsprogramms kamen, wollte Maddy noch ein paar Worte sagen. Sie wollte allen danken, die zum Gelingen der heutigen Party beigetragen hatten: Sie dankte ihrer Mutter, ihrem Vater, Dillie und Jamie. Sie dankte Gary dafür, dass er sich bereit erklärt hatte, den ebenso charmanten wie geistreichen Conférencier zu spielen. Sie dankte Dillies bester Freundin für die wunderbare Musikauswahl. Sie dankte allen, die etwas zu essen mitgebracht
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