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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Krankenhaus laufenden Frau.
    »Näheres kann ich Ihnen nicht sagen, ich muss an meinen Platz zurück«, rief sie mit einer merkwürdig brüchigen Stimme und wies auffordernd auf die Fahrstuhltür, bevor sie hinter ihrer Glastür verschwand.
    Erneut schob sich Röhrdanz inmitten von anderen Besuchern und Patienten in den muffig riechenden Fahrstuhl.
Täuschte er sich, oder sahen ihn die anderen Leute mitleidig an, als er auf die »Vier« drückte?
    Neurologie, ging es ihm durch den Kopf, und er spürte ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend. Dann ist es also was mit den Nerven? Natürlich. Sie hat sich überanstrengt. Bestimmt schimpft der Arzt jetzt mit mir. Guter Mann, wie konnten Sie Ihre Frau dermaßen überfordern? Drei Kinder muss doch heute keine Frau mehr hintereinander bekommen …
    Aber das dritte war nun mal passiert! Angela hatte sich doch so gefreut! Sie war eine robuste junge Frau, bestimmt würde sie hier bald wieder auf die Beine kommen.
    Er würde sich ein paar Tage freinehmen. Und mit den Kleinen auf den Spielplatz gehen.
    Oben angekommen, ging er suchend über die leeren, blank geputzten Flure. Es roch nach Bohnerwachs und Urin. Arme Angela. Hoffentlich schlief sie sich einfach nur mal aus. Schließlich hatte sie jahrelang nicht durchgeschlafen. Klar, dass sie es jetzt mit den Nerven hatte.
    Nachdem er vergeblich an die Glastür des leer stehenden Schwesternzimmers geklopft hatte, stand er unschlüssig herum. Von irgendwoher durchdrang ein lang gezogener Schrei die unheimliche Stille. Sein Herz begann zu rasen.
    Auf der Neurologie bin ich vollkommen falsch, dachte er, Angela kann unmöglich hier sein, sie ist weder hysterisch noch sonst irgendwie ein Fall für die Klapse. Entschlossen richtete er sich auf, als er am Ende des Ganges einen Weißkittel nahen sah, und schritt auf ihn zu.

    »Hallo?! Kann ich Sie kurz sprechen?«
    »Ja bitte?«, kam es ziemlich von oben herab. Der Arzt schien in Eile zu sein, offensichtlich war er gerade sehr im Stress.
    Röhrdanz wappnete sich innerlich. Auf dem Kittel des Mannes prangte auf Brusthöhe ein Schild, das ihn als Oberarzt dieser Station auswies.
    »Röhrdanz«, sagte Röhrdanz. »Meine Frau soll hier irgendwo sein …«
    Weiter kam er nicht, denn der Gesichtsausdruck des Arztes änderte sich sofort. Irrte Röhrdanz sich, oder glomm da ein Funken plötzlicher Aufmerksamkeit in seinen grauen Augen?
    »Ihre Frau ist tatsächlich hier.«
    »Na Gott sei Dank. Immerhin habe ich sie endlich gefunden.«
    »Doch es sieht leider nicht gut aus …«
    Röhrdanz schluckte. Er hatte ja gewusst, dass der Arzt mit ihm schimpfen würde.
    »Tut mir leid, ich werde darauf achten, dass sie sich in Zukunft mehr schont.«
    »Das wird nicht reichen, fürchte ich.«
    »Bitte? Was hat sie denn nun?«
    »So wie es aussieht, handelt es sich um eine äußerst komplexe und komplizierte Geschichte, die ich Ihnen hier auf die Schnelle gar nicht erklären kann.« Der Arzt fasste sich an den Nacken und drehte den Kopf, als müsste er ihn erst wieder einrenken.
    Röhrdanz sah ihn nervös an. Überarbeitung. Burnout-Syndrom. Nervenzusammenbruch.

    »Soweit ich das beurteilen kann, leidet Ihre Frau unter einem sehr seltenen Krankheitsbild, das in Fachkreisen ›Apallisches Syndrom‹ genannt wird. Im Moment ist das allerdings nur ein vager Verdacht, aber alle Anzeichen sprechen dafür, dass wir es hier mit dieser unglaublich verzwickten Nervenlähmung zu tun haben.«
    »Entschuldigen Sie, aber das verstehe ich nicht.« Wahrscheinlich lag eine Verwechslung vor. Der Neunmalkluge redete von einer ganz anderen Patientin. Eine, die es richtig schwer erwischt hatte und die schon nicht mehr zu retten war.
    »Können Sie das einem Nicht-Mediziner in ganz einfachen Worten noch mal erklären? Ich meine, was ist denn überhaupt passiert? Der Arzt sagte, sie sei zusammengebrochen?!«
    »Zu den neurologischen Ursachen kann ich nur so viel sagen, dass im Mittelhirn oder auf beiden Seiten der Capsula interna Läsionen in der Pons …«
    Mittelhirn? Was für Läsionen?
    Röhrdanz versuchte in dem, was die schnarrende Männerstimme von sich gab, irgendeinen Sinn zu entdecken, doch es gelang ihm nicht.
    »Es ist zu kompliziert, als dass ich Ihnen das hier auf dem Flur erklären könnte. Außerdem muss sich unser Verdacht erst erhärten. Aber wenn wir recht behalten, handelt es sich um eine schwerwiegende Lähmung mit einer hohen Mortalitätsrate«, hörte Röhrdanz den Mann sagen, ohne den Sinn seiner

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