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Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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so wunderlich aussah.»
    «Wie lange war er denn im Haus?»
    «Gar nicht lange, höchstens fünf Minuten.»
    «Er war groß, sagen Sie, nicht wahr?»
    «O ja, sicher ein Meter achtzig oder so.»
    «Und glattrasiert?»
    «Ja, Miss, nicht die kleinste Spur eines Barts.»
    «Hat sein Kinn nicht stark geglänzt?», fragte ich in einer plötzlichen Eingebung.
    Mrs James starrte mich ehrfürchtig an. «Tatsächlich, Miss! Jetzt, da Sie es sagen, erinnere ich mich wieder. Aber wieso wussten Sie das?»
    «Ach, ich habe gehört, dass Mörder oft ein glänzendes Kinn haben», behauptete ich einfach.
    Mrs James nahm meine merkwürdige Erklärung gutgläubig hin. «Tatsächlich, Miss? Das wusste ich nicht.»
    «Sie haben nicht zufällig bemerkt, was er für eine Kopfform hatte?»
    «Die übliche, Miss. Soll ich Ihnen jetzt die Schlüssel holen?»
    Ich nahm die Schlüssel in Empfang und ging zum Haus. Bis jetzt hatte ich gute Fortschritte gemacht. Jedenfalls hatte die Unterhaltung ergeben, dass keine wesentlichen Unterschiede bestanden zwischen dem «Arzt», an der U-Bahn-Station und dem jungen Mann, den Mrs James beschrieben hatte. Ein Mantel, ein Bart und eine Brille mit Goldrand. Der vermeintliche Arzt hatte einen älteren Eindruck gemacht, aber ich erinnerte mich, dass seine Bewegungen eher die eines jungen Menschen waren.
    Das Opfer des Unfalls – der «Mottenkugel-Mann», wie ich ihn von nun an nannte – und die Ausländerin Mrs de Castina, oder wie immer sie heißen mochte, hatten eine Verabredung im Haus zur Mühle gehabt. So stellte ich mir die Sache vor. Entweder befürchteten sie eine Verfolgung, oder sie hatten einen anderen Grund, diese geheimnisvolle Art des Zusammentreffens zu wählen.
    Der «Mottenkugel-Mann», hatte auf dem Bahnsteig sicherlich den «Doktor», erblickt, und diese Begegnung musste für ihn so unerwartet gewesen sein, dass er vor Schreck taumelte. Das schien mir völlig klar. Und was war dann geschehen? Der falsche Arzt legte rasch seine Verkleidung ab und folgte der Frau nach Marlow. Wenn er aber in Eile war, konnten noch Überreste des Klebemittels, mit dem er den Bart befestigt hatte, an seiner Haut haften. Daher meine Frage nach einem glänzenden Kinn.
    Tief in Überlegungen versunken, gelangte ich zu dem Haus. Ich öffnete die Tür mit meinem Schlüssel und trat ein. Die Halle war niedrig und dunkel, ein muffiger Geruch drang mir entgegen. Ein Schauder befiel mich, und mein Herz begann zu hämmern. War das Haus wirklich leer? Zum ersten Mal in meinem Leben begriff ich das viel gebrauchte Wort «Atmosphäre». Hier war es am Platz: Das ganze Haus war erfüllt von einer Atmosphäre der Grausamkeit, der Drohung – des Bösen.

7
     
    Ich schüttelte dieses Gefühl ab und eilte rasch die Treppe hinauf. Es war nicht schwierig, das Zimmer zu finden, in dem die Tragödie stattgefunden hatte. Als der Mord entdeckt wurde, hatte es geregnet, und jemand mit großen, feuchten Schuhen war in allen Richtungen durch das Zimmer getrampelt.
    An dem Raum selbst war nichts Besonderes zu entdecken. Er war groß und völlig leer, die Wände waren weiß getüncht. Ich untersuchte ihn sorgfältig, aber nicht einmal eine Stecknadel ließ sich finden.
    Ich hatte einen Notizblock und einen Bleistift bei mir und notierte pflichtschuldigst alle Beobachtungen, obschon es wirklich nichts zu beobachten gab. Als ich im Begriff war, den Bleistift wieder in die Tasche zu stecken, glitt er mir aus den Fingern und kullerte über den Boden.
    Das Haus zur Mühle war alt und der Fußboden uneben. Mein Bleistift rollte immer rascher, bis er unter einem Fenster liegen blieb. Jede Fensternische war mit einem breiten Sims versehen, und darunter befand sich ein kleines, eingebautes Schränkchen. Mein Bleistift lag direkt vor der Tür eines solchen Schränkchens, das mir bisher nicht aufgefallen war, weil kein Licht darauf fiel. Ich öffnete die Tür, aber der Hohlraum dahinter erwies sich als völlig leer. Doch da ich nun mal eine gründliche Natur bin, ging ich zum zweiten Fenster hinüber und tastete auch dort den kleinen Kasten ab. Zuerst schien dieser ebenfalls leer zu sein, doch schließlich fühlte meine Hand in der hintersten Ecke etwas Kleines, Hartes. Ich zog es heraus – es war ein Kodak-Film. Endlich ein Fund!
    Natürlich mochte dieser Film schon lange dort gelegen haben und war beim Ausräumen des Zimmers übersehen worden. Aber daran glaubte ich nicht. Das rote Lichtschutzpapier sah viel zu neu aus und war kaum

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