Der Mann mit den hundert Namen
dann?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Hoppla, unter den gegebenen Umständen geht das uns sehr wohl etwas an.«
»Ich hatte persönliche Probleme«, sagte Buchanan.
»Haben wir das nicht alle? Wir sind Männer von Welt. Wir haben Verständnis für persönliche Probleme. Schütten Sie Ihr Herz aus. Was für Probleme könnten …«
»Ich will lieber nicht darüber sprechen.« Buchanan tat, als sei er bereits betrunken und ließ absichtlich den Ellbogen von der Tischkante gleiten. »Ich habe Ihnen gesagt, was zu sagen ist. Lassen Sie die Bankkonten Ihrer Partner überprüfen. Wenn sich herausstellt, daß ich die Wahrheit gesagt habe, werden Sie zur Zusammenarbeit bereit sein.«
Buchanan blieb beinahe das Herz stehen. An der Treppe erkannte er einen Amerikaner, der einen Kellner um einen Tisch bat. Er war Anfang Vierzig, groß, mit auffallend breiten Schultern und massiger Brust. Verdammt, dachte Buchanan und überlegte fieberhaft.
»Crawford!« dröhnte eine Stimme durch den Raum.
Buchanan tat, als achte er nicht darauf.
»Crawford! Herrgott noch mal, lange nicht gesehen! Das war doch …« Der Satz endete in einem Raucherhusten.
Buchanan ließ sich nicht ablenken und beobachtete seine Gesprächspartner.
»Crawford!« Die Stimme wurde lauter. »Sind Sie taub? Hören Sie nicht? Wo sind Sie bloß nach der Sache im Irak abgeblieben?«
Die aufdringliche Stimme war so nahe, daß Buchanan sie unmöglich weiter überhören konnte. Er wandte den Blick von den beiden sichtlich irritierten Drogenbossen ab und starrte dem von Sonne und Alkohol geröteten vierschrötigen Amerikaner ins Gesicht. »Ja, bitte?«
»Crawford. Erkennen Sie Ihren alten Kumpel nicht? Big Bob Bailey. Ach, kommen Sie, Sie können mich doch nicht vergessen haben. Wir waren in Kuwait City und Bagdad zusammen eingesperrt.«
Buchanan schüttelte verwirrt den Kopf. »Freue mich, Sie kennenzulernen, Bob. Offenbar verwechseln Sie mich.«
Die Zwillinge ließen Buchanan nicht aus den Augen.
»Sie heißen nicht Crawford – Jim Crawford?«
»Ehrlich, ich bin nicht Jim Crawford. Ich heiße Ed Potter und bin Ihnen noch nie begegnet. Wer immer Jim Crawford ist, er scheint mir zu ähneln.«
»Na, da soll mich doch …« Der Amerikaner schüttelte verwundert den Kopf und zog sich leicht schwankend zurück.
»Nicht so schlimm. Kann jedem mal passieren«, rief Buchanan ihm nach.
7
Doch es war sehr schlimm. Die Gefahr, daß eine frühere Kontaktperson plötzlich in einen neuen Einsatz hineinplatzte, gehörte zu Buchanans Alpträumen. Auf die Vorsicht eines Profis konnte er sich verlassen, gegen die Spontaneität eines ahnungslosen Zivilisten half nichts – außer vielleicht dreistes Lügen. Der bullige Amerikaner hatte Buchanan tatsächlich in Kuwait City und Bagdad kennengelernt. Buchanan hieß damals Jim Crawford und war angeblich auf den Ölfeldern tätig. Buchanan war einen Monat lang mit Bailey und anderen Arbeitern der Ölgesellschaften zunächst in einem zerstörten Hotel in Kuwait City zusammengewesen, später auf einem Lastwagen, der die gefangenen Amerikaner von Kuwait nach Irak transportierte, und schließlich in einem Gefängnis in Bagdad. Als sie nach der Freilassung auf dem Frankfurter Flughafen ankamen, verschwand Jim Crawford in der Menge, von Sicherheitsbeamten in Zivil geschützt, die ihn zu intensiver Befragung an einen sicheren Ort brachten. Dazwischen lagen andere Einsätze, und Buchanan war längst nicht mehr Crawford.
Verdammt, dachte Buchanan, der ist so sauer, daß er vielleicht noch mal ankommt, und dann ist meine Tarnung vermutlich völlig im Eimer. »Der hat alle auf uns aufmerksam gemacht«, sagte Buchanan.
» Si , je eher wir hier abhauen, desto besser«, sagte Fernandez II. »Ganz meiner Meinung. Gehen wir.« Buchanan erhob sich und steuerte auf die Treppe zum Foyer zu.
»Nein, hier entlang«, sagte Fernandez I und deutete auf den Hinterausgang, durch den man in den stockdunklen Hotelgarten gelangte.
»Guter Vorschlag«, sagte Buchanan. »Schneller und weniger auffällig.« Dem Kellner gab er zu verstehen, daß das Geld auf dem Tisch lag.
Als Buchanan aus dem Restaurant in die feuchten, duftenden Gartenanlagen trat, hatten die Zwillinge ihn in die Mitte genommen. Ihm entging nicht, daß sie noch immer ihre Servietten in der Hand hielten – und die Servietten sahen nicht leer aus. Obendrein fiel ihm auf, daß sich aus dem Dunkel der hohen Büsche ein Schatten löste.
Der Leibwächter war Lateinamerikaner,
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