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Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles L Harness
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Diebes-Ehrenkodex verbietet es, einen Unbewaffneten zu verletzen. Meine Geldbörse liegt auf dem Toilettentischchen.“
    Beide hörten dem Geräuschwirrwarr aus fernen Polizeisirenen und den gedämpften Flüchen und dem Stöhnen zu, das durch die Schlafzimmertür drang.
    „Sperren Sie die Schatzkammer auf“, sagte Alar gleichmütig.
    Shey riß die Augen auf.
    „Meine Juwelen!“ stieß er hervor. „Die bekommst du nicht!“
    Drei Sirenen heulten ganz in der Nähe auf. Noch während Alar zuhörte, erstarb eine von ihnen plötzlich. Kaiserliche Polizei würde aus dem Patrouillenflugzeug ausschwärmen und in den Straßen semiportable Kades aufstellen, die fähig waren, ihn zu verdampfen, Schutzschirm hin, Schutzschirm her.
    Die Schlafzimmertür fing in Resonanz mit dem Schneideapparat zu schwingen an.
    Alar ging beinahe unbeteiligt zum Bett hin und beugte sich direkt über Sheys plumpes Gesicht, das ihm zitternd und bleich zugewandt war. Mit einem schlangenartigen Überraschungsgriff faßte der Dieb seinen Gastgeber mit Daumen und Zeigefinger am linken Augenlid.
    Shey gluckste fürchterlich und hob dann widerwillig den schmerzenden Kopf. Zuerst saß er am Bettrand, dann daneben. Und als er seinen Quälgeist an der schlanken Kehle zu fassen versuchte, kam es ihm vor, als würde ihm ein Messer in den Augapfel fahren.
    Mit schweißüberströmtem Gesicht stand er einen Augenblick später vor seiner geliebten Schatzkammer.
    Die Sirenen hatten zu heulen aufgehört. Ein volles Hundert Flugzeuge oder noch mehr mußten draußen auf ihn warten.
    Shey wußte das ebenso.
    Ein verschlagenes Grinsen stahl sich dem Psychologen in den Mund.
    „Tu mir nicht mehr weh“, kicherte er. „Ich sperre die Juwelenkammer auf.“
    Er legte die Lippen an die Rosette und flüsterte ein paar Worte. Die Tür glitt lautlos in die Wand hinein.
    Er trat einen Schritt zurück und massierte sorgfältig sein Auge.
    Mit methodischer Geschwindigkeit riß Alar die Teakholzladen heraus und leerte ihren glitzernden Inhalt in seinen Beutel. Ein weniger erfahrener Dieb hätte nicht gewußt, wo und wann aufzuhören war, aber Alar zog den Beutelverschluß mit einem Ruck zu, während er noch nach einer wunderschönen Halskette griff, die allein vierzig Menschen wert war.
    Mit einem Sprung war er beim Eingang, gerade rechtzeitig, um Zeuge zu werden, wie die Schlafzimmertür unter einer blendenden Masse von Degen nach innen krachte. Noch während er die eigene Klinge blitzschnell aus der Scheide zog und die vorderste Wache entwaffnete, wurde ihm klar, daß die Übermacht zu groß war, daß er mit Sicherheit verwundet und vielleicht getötet werden würde, bevor er aus dem meilenhohen Fenster springen konnte. Und zwar deswegen, weil er vor dem Sprung sein zusammengerolltes Schockseil an irgendeinem festen Gegenstand befestigen mußte. Aber woran? Sheys Bett war nicht antik. Es hatte keine Bettpfosten. Plötzlich wußte er die Lösung.
    Dank einer wunderbaren Koordination von Konzentration und Geschicklichkeit war er bei seinem Rückzug zum offenen Fenster hin unverletzt geblieben. Die Wachen, die an solche Massenangriffe auf einen einzelnen Gegner nicht gewöhnt waren, stießen zu, wie es ihnen gerade in den Sinn kam, anstatt gleichzeitig zu attackieren, und das ermöglichte es ihm, jeden Stoß der Reihe nach abzuwehren. Jetzt aber hieben, möglicherweise aus Zufall, zwei der Wachen, einer von jeder Seite, gleichzeitig auf ihn ein. Er versuchte beide Stöße in einem verwickelten Manöver mit der flachen Klinge abzuwehren, aber die beiden Degen kamen in einem zu steilen Winkel auf ihn zu.
    Kaum hatte sein Degen den Kontakt mit dem des Wächters zu seiner Rechten verloren, zog er mit der linken Hand schon eine Schlaufe des Schockseils aus der Seilrolle auf seiner Brust, und als ihm die Klinge in die Brust fuhr, warf er mit der Linken ein Lasso auf den schweißnassen, kahl werdenden Kopf von Shey, der sich auf der anderen Seite des Bettes niedergekauert hatte.
    Und dann ließ sich der Dieb, ohne abzuwarten, ob die Schlinge um Sheys Hals gefallen war, nach hinten fallen. Das Schwert in seiner Brust wurde dadurch nicht herausgezogen, vielmehr wurde es dem verblüfften Wächter aus der Hand gerissen. Das Schwert noch immer zwischen den Rippen, stürzte Alar aus dem Fenster ins Freie hinaus.
    Irgendwann während der ersten hundert Fuß tastete er nach den Rippen, während er die Viertelsekunden abzählte. Die Wunde war nicht arg. Die Klinge hatte das Fleisch

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