Der Mann ohne Vergangenheit
flüchtende Gruppe. Dann rannten zwei von ihnen mit gezogenen Feuersteinmessern zu dem Rentierkadaver hin. Mit lautlosen, fachmännischen Schnitten tranchierten sie die hinteren Teile des Tieres und sahen dann fragend ihren alten Anführer an.
„Nehmt nicht mehr“, warnte dieser. „Vielleicht sind Rentiere hier selten, und sie müssen deshalb zurückkehren oder hungern.“
Er konnte nicht wissen, daß das Kolloidgewebe in seinen vorderen Gehirnlappen von einer unbegreiflichen titanischen Intelligenz sorgsam verändert worden war. Und ebensowenig konnte er jene Begegnung voraussehen, die seine Nachfahren in der fernen Zukunft mit ihren Cromagnon-Vettern haben würden, jenem großgewachsenen Volk, das sich aufmachen würde, Afrika über die sizilianisch-italienische Landbrücke zu verlassen.
Ihm würde auf ewig verschlossen bleiben, daß auf die gleiche Weise, wie er, der Neandertaler, die tierhaften Eoanthropen geschont hatte, die Cromagnon die Neandertaler verschonen würden. Und er wußte auch nicht, daß er das Schicksal der Menschheit verändert hatte, als er die leeren Hände ausstreckte, statt seinen Speer zu werfen. Oder daß er, indem er die Kette der Ereignisse verhinderte, die zu ihrer Entstehung führten, selbige Intelligenz dahinschwinden ließ, die diesen wunderbaren Wandel in dem dahindämmernden Bewußtsein des Menschen bewirkt hatte.
Denn jene Wesenheit, die irgendwann als Muir-Alar bekannt gewesen war, hatte Keiris in einer definitiven Ewigkeit wiedergefunden, gerade in jenem Moment›als die rauhen Stimmbänder des Neandertalers jenen Schrei formten, der die mögliche Ausbreitung von Toynbee zweiundzwanzig über das Universum verkündete.
„Alle Menschen sind Brüder!“
Nachwort
Charles L. Harness wurde 1915 in Colorado City, Texas, geboren. Er wuchs in Fort Worth auf und nahm dort als junger Mann während der Wirtschaftsdepression seinen ersten Job in einem Papiergeschäft an. Später studierte er an der George Washington University und an der TCU, wo er zum einen ein Anwaltspatent, zum anderen einen akademischen Grad in Chemie errang. Diese Kombination bereitete seinen späteren Beruf als Patentanwalt vor. Science Fiction schrieb er stets nur nebenberuflich. Er debütierte 1948 mit einer Story in Astounding (dem heutigen Analog), die den Titel Time Trap trug und schon ganz und gar die Vorliebe des Autors für bizarre Ideen und vor allem immer wieder für Spielereien mit Zeitphänomenen aufzeigt. Den Großteil seiner Storys und Romane schrieb er in einigen kurzen Schaffensperioden: der ersten Periode von 1948 – 53, der zweiten von 1966 – 68 sowie der dritten, die seit 1978 anhält. Er verfaßte bislang die Romane The Paradox Men (Der Mann ohne Vergangenheit – ursprünglich in einer kürzeren Version unter dem Titel Flight into Yesterday 1949 in Startling Stories erschienen), The Ring of Ritornel (Todeskandidat Erde) sowie die in jüngster Zeit erschienen Werke Wolfhead, The Catalyst und Firebird. Bemerkenswerte Storys aus seiner Feder sind u.a.: The Rose, The New Reality und die jüngst in Analog erschienene Erzählung The Venetian Court (letztere wird in der im Oktober in dieser Reihe erscheinenden ersten deutschen Ausgabe von Analog enthalten sein). Viele von Harness’ Erzählungen, und das gilt auch für die erwähnten Titel, sind im übrigen relativ lang, also eigentlich Kurzromane. Harness liegt diese Form besonders, da er hier den nötigen Raum findet, um eine für ihn typische verwickelte Handlung mit melodramatischen Komponenten zur Entfaltung zu bringen.
Obwohl er kein so breites Werk wie andere SF-Autoren seiner Generation aufzuweisen hat, muß man Harness ohne Frage zu den wichtigen SF-Autoren rechnen. Dennoch hat er in Amerika vergleichsweise wenig Beachtung gefunden, sehr zum Erstaunen vieler SF-Experten. So schreibt Brian Stableford, englischer Kritiker und selbst SF-Autor: „In Anbetracht der zahlreichen Vorzüge dieses Werkes ist es schwer zu verstehen, warum The Paradox Men in Amerika niemals zu großer Popularität gelangte. John Campbell und die Leser von Astounding Science Fiction waren derart begeistert über van Vogt, daß man sich nur wundern kann, warum sie nicht ähnlich enthusiastisch auf Harness reagierten.“ (Zitat aus dem fünf bändigen Referenzwerk Survey of Science Fiction Literature, das The Paradox Men unter die fünfhundert wichtigsten SF-Werke der Welt einreiht.)
In der Tat hat The Paradox Men bis heute in Amerika nur eine einzige
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