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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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war ihm nicht möglich, sich aufzurichten. Die verbundene Schulter schmerzte, er fühlte eine nie gekannte Mattigkeit, Mühsam drehte er den Kopf zur Seite und stellte verwundert fest, daß er sich allein in einem kleinen Saal befand. An den Wänden hingen große Ölbilder, auf denen mollige nackte Frauen und kleine Engel zu sehen waren. Bruno glaubte zu phantasieren, als er zwischen den Gemälden ein großes, in Gold gerahmtes Bildnis Hitlers erkannte. Er schloß die Augen, dachte: Ich muß erst einmal richtig zu mir kommen, vermutlich liege ich noch in Narkose. Er war mehrfach im Lazarett gewesen, wußte, daß man nach einer Operation mitunter nicht nur dummes Zeug schwatzte, sondern auch Erinnerung und Wirklichkeit durcheinanderbrachte. Merkwürdigerweise erinnerte er sich jedoch an jede Einzelheit, wußte sogar noch, daß er um Hilfe gerufen hatte. Ich bin also voll da, ging es ihm durch den Kopf, folglich habe ich keine Halluzinationen. Dieser Ölgötze an der Wand ist tatsächlich Adolf.
    Nach einigen Anstrengungen gelang es ihm, den Kopf ein wenig zu heben. Er bemerkte ein großes Fenster. Draußen schien die Sonne, einige Baumkronen waren zu erkennen. Gegenüber dem Fenster befand sich eine große, weiße Flügeltür. Darüber hing ein kleines, koloriertes Foto. Als er die Konturen auf dem Bild unterscheiden konnte, überlief es ihn eiskalt. Auf dem Foto war jenes Ungeheuer abgebildet, das ihn im Auto überfallen hatte.
    Das Untier glotzte ihn an, als wollte es jeden Augenblick von der Wand herunterspringen. Mit Entsetzen sah er die funkelnden Augen, den Schuppenpanzer und das spitze Maul. Aus dem ekligen Körper ragten sechs behaarte Beine heraus.
    Bruno ließ sich aufs Kissen zurückfallen, kämpfte gegen eine aufkommende Übelkeit an. Seine Glieder schmerzten, er fieberte. Ihm kam auf einmal der Gedanke, dem gräßlichen Vieh schon früher einmal begegnet zu sein. Doch wann und in welchem Zusammenhang, wollte ihm nicht einfallen. Wohin bin ich nur geraten? grübelte er. Jemand muß meine Hilferufe gehört haben. Aber wann war das? Gestern? Wer hat mich verbunden? Das angestrengte, vergebliche Nachdenken ermüdete ihn.
    Er war schon etwas eingeduselt, als näher kommende Schritte ihn aufschreckten. Gebannt starrte er auf die Tür.
Zwei Männer in weißen Kitteln traten ein.
Voran, mit kurzen Schritten, näherte sich ein kleiner Herr von asketischem Äußeren. Sein Alter war schwer zu schätzen, denn trotz seines grauen, ungepflegten Haupthaares machte er einen energiegeladenen Eindruck auf Bruno. Zwei dicke Brillengläser vergrößerten seine Augen ins riesenhafte. Dem akkuraten Friseur, der die Besucher blinzelnd in Augenschein nahm, fiel auf, daß er schlecht rasiert war.
Hinter dem Kleinen knarrten die Stiefel eines Mannes, der nicht nur äußerlich das Gegenteil zu sein schien. Die hünenhafte Gestalt zeigte ein ausdrucksloses, aufgeschwemmtes Gesicht. Sein wiegender Gang und die langen Arme erweckten in Bruno die Vorstellung, einen Gorilla zu sehen. Es beruhigte ihn, daß der Hüne nicht näher kam, sondern scheinbar desinteressiert in gemessenem Abstand stehenblieb.
Der kleine Herr trat an sein Bett, beugte sich über Bruno und prüfte dessen Puls. »Nun ja, wie zu erwarten, noch etwas Temperatur«, murmelte er, »nicht weiter schlimm, Hauptsache, das Blut zirkuliert…« Und etwas lauter: »Sie haben Glück gehabt, Herr Plath, oder wie Sie sonst heißen mögen, großes Glück. Wäre mein Adlatus, der Schwergewichtler hier, nicht in der Nähe gewesen, Vampus hätte sie ausgesogen wie eine Zitrone.« Er kicherte und wiederholte dabei: »Wie eine Zitrone, bleich und hohl. Vampus hat ganze Arbeit geleistet. So habe ich es vorausgesehen…«
Auch der Goliath fand den Vergleich mit der Zitrone lustig. Mit piepsender Kastratenstimme bemerkte er: »Er war bereits ausgequetscht wie eine Zitrone, Herr Professor. Und Vampus reagierte wie eine elektrische Klingel, als ich den vereinbarten Impuls sendete…«
»Würden Sie mir bitte erklären, wo ich mich befinde und was mit mir geschehen ist?« erkundigte sich Bruno mit matter Stimme. »Auch möchte ich mich für die Hilfe bedanken…«
»Ach was, Hilfe«, unterbrach ihn der Kleine. »Sie haben mir geholfen, und das andere haben Sie doch gehört. Vampus hatte Sie beim Wickel, und Caramallum, der Wärter und Betreuer unserer lieben Tierchen, konnte ihn im letzten Augenblick zurückrufen. Doch genug von diesem Zwischenfall. Damit Sie wissen, wer vor Ihnen steht

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