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Der Mantel - Roman

Der Mantel - Roman

Titel: Der Mantel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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Kopf. »Sollte es zu schwer werden, müssen Sie auch daran denken, ihn einschläfern zu lassen.«
    Schmidt wünschte sich aus diesem Zimmer, mit staubtrockener Kehle krächzte er: »Das habe ich schon. Haben Sie noch etwas, was ihm etwas Lebensenergie gibt oder die Schmerzen dämpft?«
    »Ich kann Ihnen noch etwas Schmerzlinderndes geben. Aber viel Hoffnung kann ich Ihnen nicht machen, mehr als Sie schon haben, geht fast nicht.«
    Schmidt räusperte sich verlegen: »Danke. Die Spritze würden Sie ihm dann geben, wenn es soweit ist?«
    »Ja, jetzt aber warten Sie noch ein wenig mit ihm im Wartezimmer, bis er wieder ganz da ist, okay?«
    Ein schwer lastender Tag. Schmidt hatte nichts wirklich Überraschendes erwartet, dennoch traf ihn die Unabänderlichkeit der medizinischen Diagnose. Wieder zu Hause, stand er immer wieder von seinem Schreibtisch auf, um den Hund zu streicheln oder mit ihm zu reden. Sabine hatte inzwischen Fabian verständigt. Er kam vor der vereinbarten Zeit und wurde von Shiva mit einem heiseren Bellen und heftigem Schwanzwedeln begrüßt. Schmidt zeigte Fabian Fernseher, Küche und Telefon und ermunterte ihn, wenn er das wolle, auf der Couch im Wohnzimmer zu schlafen.
    Fabian lächelte nur und sagte: »Schon gut, ich spiel mit Shiva, wenn er nicht schläft. Darf ich mit ihm Gassi gehen?«
    »Klar, kannst du. Du weißt ja, die Treppe, vielleicht musst du ihm da helfen. Du siehst mich auf jeden Fall wieder vor Mitternacht.«
    »Lass dir Zeit«, erwiderte der Junge in seiner gewohnten Abgeklärtheit.
    Der Frühsommerabend war schwül. Schmidt war zur Oper gelaufen, etwas überhastet. Vor den Stufen des imposanten Aufgangs angekommen, bemühte er sich, in seinem dunklen Anzug etwas abzukühlen. Am Eingang spähte er durch die aufgeregt parlierende Ansammlung der herausgeputzten Operngäste. Bald hatte er gefunden, was er gesucht hatte. In einem eleganten schwarzen Kostüm stand dort seine Mutter. Allein, die freudige Stimmung, sie nach Wochen wiederzusehen, trübte sich sofort wieder ein. Das konnte sie ihm doch nicht antun: Neben ihr stand Tomas´. Sein Vater. Schmidt erstarrte innerlich, blieb regungslos stehen, überlegte, ob er kehrtmachen sollte, wieder nach Hause gehen. Ein Anruf morgen würde wohl reichen, Shivas Zustand würde ihn entschuldigen.
    Aber es war zu spät. Tomas´ hatte ihn gesichtet und winkte ihm mit ausladender Geste zu. Schmidt winkte halbherzig zurück. Durch die schnatternde Menge, vibrierend in Erwartung auf den Abend, suchte Schmidt sich seinen plötzlich schwer gewordenen Weg. Seine Mutter begrüßte ihn herzlich, küsste ihn und sagte: »Ich dachte, es wurde Zeit dafür.«
    Dabei schaute sie Tomas´ an. Der lächelte offen und hielt ihm die Hand hin. Schmidt ergriff sie zögerlich: »Hallo Tomas´. Ich habe dich heute Abend hier nicht erwartet.«
    Das Lächeln blieb: »Das könnte ich auch sagen. Es war eine Idee deiner Mutter.«
    Sie schaute ihn aus dunklen Augen an: »Ja, Ulrich, es war meine Idee. Es ist Zeit, dass ihr einander kennenlernt. Ich meine, anders kennenlernt. Jetzt, wo ihr voneinander wisst. Aber ihr wisst noch nicht genug voneinander. Von eurer Nähe.« Sie musste die Abwehr in Schmidts Gesicht sehen, fuhr dennoch ungerührt fort: »Aber nun sollten wir uns auf eine wunderschöne Oper freuen. Die Besetzung ist fabelhaft. Die Musik ist bezaubernd.« Sie lächelte aufmunternd: »Und Tomas´ kennt die Oper so gut, er hat mehrfach die Hauptrolle gesungen.«
    Er schaute kurz an seinem Vater herunter, musterte ihn mit einem Blick, er war eher untersetzt wie er selber, korpulent, etwas behäbig. Der schwarze Anzug saß nicht richtig, wirkte behelfsmäßig. Das Gesicht breit und mit mindestens 75 Jahren erschlafft, für den Ausdruck von Lebendigkeit sorgte allein eine kühne große Nase und ein flinkes blaues Augenpaar.
    Tomas´ fing Schmidts fragenden Blick auf: »Du fragst dich sicher wie, oder? Denkst, du sähst mich eher in Schneewittchen und die sieben Zwerge als in einer großen Oper?«
    Schmidt errötete.
    »Schon gut, es ist viele Jahre her. Das heißt, ich habe den Eugen Onegin vor bald vierzig Jahren das letzte Mal gesungen. Zwar nicht mit mehr Körpergröße, aber mit weniger Gewicht. Es ist eine wunderbare Rolle.« Er strahlte, jetzt in seiner Erinnerung gefangen.
    Schmidt nickte: »War auch leichter, weil du Russisch sprichst, oder?«
    »Wir alle aus dem Osten sprechen ein wenig Russisch. Nicht so gern allerdings. Aber sicher, hilft ein

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