Der Marktmacher
Weiss gegangen?«
»Richtig«, sagte Ricardo. Seine Stimme blieb ruhig, aber sein Ehering begann, wie wild zu tanzen. »Das war mein Fehler. Ich habe sie eingekauft, und sie haben mich für j e manden im Stich gelassen, der ihnen mehr zahlte. Ich war zu vertrauensselig. Ich habe sie schalten und walten lassen. In Zukunft verlasse ich mich nur noch auf meine eigenen Leute. Leute, auf deren Loyalität ich bauen kann. Den Le u ten dort draußen vertraue ich. Wir sind ein Team, wir arbeiten zusammen und verdienen gemeinsam unser Geld. Viel Geld. Sehen Sie den Burschen dort? Jener, der etwas asiatisch aussieht?«
Ich folgte Ricardos Blick und sah einen untersetzten Mann von etwa vierzig, der in einen Hörer lachte. »Ja, ich habe ihn vorhin kennengelernt. Pedro Soundso, nicht wahr?«
»Richtig. Pedro Hattori. Japanisch-brasilianischer Herkunft. Das ist mein Cheftrader. Letztes Jahr waren seine Einkünfte achtstellig.«
Einen Augenblick lang mußte ich die Nullen im Kopf aufmarschieren lassen. Acht Stellen! Himmel! Das waren mehr als zehn Millionen Pfund. Oder Dollar oder sonstwas. Jedenfalls mehr Geld, als nach meiner naiven Vorstellung irgendein einzelner Mensch verdienen konnte.
Offenbar war mir meine Verblüffung anzusehen. Ricardo lachte. »Wieviel verdienen Sie?«
»Vierzehntausendsiebenhundertfünfzig Pfund pro Jahr«, sagte ich. »Plus Ortszuschlag für London.«
»Nun, wenn Sie bei uns anfangen, bekommen Sie sofort dreißigtausend Pfund im Jahr. Jeder Profit, den Sie für uns erzielen, schlägt sich in einem Bonus nieder, de r I hnen z u sätzlich zum Grundgehalt gutgeschrieben wird. Wieviel, hängt ganz allein von Ihnen ab. Wie hört sich das an?«
»Umwerfend.«
»Gut. Dann erzählen Sie mir ein bißchen von sich. Warum wollen Sie bei uns anfangen?«
Ich wollte die Sätze herunterbeten, die ich mir zurechtgelegt hatte. »Mich haben die Finanzmärkte schon immer fasziniert …«
Doch er unterbrach mich mit einer Handbewegung. »Ersparen Sie mir die Lyrik, Nick. Seit sechs Jahren studieren Sie Russisch. Wenn Sie die Finanzwelt wirklich so i n teressant fänden, würden Sie irgendwo in einer Bank arbe i ten. Und wir würden dieses Gespräch nicht führen.«
Er blickte mich durchdringend mit seinen blauen Augen an, während er geduldig auf die Wahrheit wartete. Ich erinnerte mich daran, was Jamie mir eingeschärft hatte: »Was auch immer du tust, erzähl Ricardo keinen Scheiß. Er will nur wissen, wer du bist und was du willst. Dann fällt er seine Entscheidung.«
Immerhin hatte ich es Jamie zu verdanken, daß ich überhaupt hier saß. Also würde ich mich strikt an seinen Rat halten.
»Als ich Oxford verließ, war das Bankwesen das letzte, worauf ich Lust hatte«, sagte ich. »Die Anzüge, die Ha n dys, die idiotischen Gehälter, die Geldgier.«
Ricardo hob die Augenbrauen. »Und, was hat sich geändert?«
»Ich brauche das Geld.«
»Warum?«
»Braucht nicht jeder Geld?«
»Der eine mehr, der andere weniger.«
Ich hielt inne. Wieviel sollte ich ihm erzählen? Jamie meldete sich wieder in meinem Hinterkopf.
»Ich brauche es dringender als die meisten«, sagte ich. »Ic h m uß eine hohe Hypothek bezahlen, und meine Dozentenstelle läuft Ende des Semesters aus.«
»Und wann ist das?«
»Freitag.«
»Ich verstehe. Haben Sie keine Alternative in Aussicht?«
»Kaum. Die Posten für Russischdozenten werden abgebaut, und es gibt ’ ne Menge von meiner Sorte. Die meisten sind besser qualifiziert. Ich habe schlechte Karten.«
Ricardo nickte. »Dann sind Sie also hungrig. Das gefällt mir. Fragt sich nur, wie hungrig Sie sind.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ganz einfach. Sind Sie zufrieden, wenn Sie einen hübschen Posten und ein hübsches Gehalt haben und Ihre hübsche kleine Hypothek abbezahlen können?«
»Nein«, sagte ich. »Wenn ich mich hierauf einlasse, will ich wirkliches Geld verdienen.«
Abermals hob Ricardo die Augenbrauen. »Und was tun Sie, wenn Sie ’ s haben?«
»Kündigen. Lesen.«
Die Augenbrauen wanderten noch ein Stück weiter nach oben. »Ist das nicht genau das, was Sie im Augenblick g e rade tun?«
Ich seufzte. »Nein. Im Augenblick bin ich damit beschäftigt, wissenschaftliche Aufsätze zusammenzuschustern, Anfängerübungen abzuhalten und Verwaltungskram zu erledigen. Eine Menge Verwaltungskram. Und mit all dem verdiene ich nicht genug, um meine Wohnung zu beza h len. Ich sitze in der Falle. Und das hier ist ein Au s weg.«
Aufmerksam hörte Ricardo zu, konzentrierte
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