Der Marktmacher
scharfe I n telligenz verrieten sie, wirkten aber durchaus freundlich und nicht beunruhigend. »Keine Angst«, schienen sie s a gen zu wollen , » ich bin auf deiner Seite.« Obwohl ich ihn erst seit einer Viertelstunde kannte, fühlte ich mich zu R i cardo Ross hingezogen. Ich verstand mit einem Mal, wa r um Jamie so große Stücke auf ihn hielt.
Ich saß einfach da und wartete, daß er zu einem Urteil und einer Entscheidung kam.
Sie ließ nicht lange auf sich warten. »Gut«, sagte er. »Entschuldigen Sie mich für einen Augenblick. Ich möchte kurz mit meiner Truppe Rücksprache halten.«
Er ließ mich im Konferenzzimmer zurück, während er an seinen Schreibtisch ging. Ich sah, daß er die Leute zusammenrief, die ich vorhin kennengelernt hatte. Pedro Hattori war dabei, dann der hochgewachsene argentinische Aristokrat, die Amerikanerin, die die Marktforschungsabteilung leitete, der Trader mit dem Cockney-Akzent, ein mexikanischer Verkäufe r , ein Franzose, dessen Funktion ich vergessen hatte, und schließlich erkannte ich noch das blonde Haar und die breiten Schultern von Jamie, der mir den Rü ck en zuwandte. Er hatte zweifellos gute Vorarbeit für mich geleistet.
Die folgenden drei M inuten schienen ewig zu dauern, doch schließlich löste sich die Gruppe auf, und Ricardo kam zurück. Er streckte mir die Hand entgegen. »Willkommen an Bord«, sagte er mit einem gewinnenden L ä cheln.
Einen kurzen Augenblick zögerte ich. Sollte ich noch einmal darüber nachdenken? Wollte ich mein bisheriges Leben wirklich aufgeben und es für eines in der City eintauschen?
Dreißigtausend im Jahr Minimum oder gar nichts?
Ich dachte an den Brief, den mir eine Woche zuvor der liebenswerte Mr. K. R. Norris von der Baugesellschaft g e schrieben hatte. Falls ich nicht binnen dreißig Tagen die überfälligen Hypothekenzinsen zahlte, würde meine Wo h nung wieder der Gesellschaft gehören.
Die Entscheidung war einfach. Ich ergriff seine Hand . » Danke.«
»Wir sehen uns Montag morgen um sieben«, sagte Ricardo.
»Ich werde pünktlich sein«, erwiderte ich und ging zur Tür.
»Oh, eines wäre da noch.«
Ich wandte mich um. Ricardo betrachtete meinen Anzug. Polnisch. Hundert Prozent Polyester. Ich trug ihn nur, wenn es sich gar nicht anders vermeiden ließ.
»Wie viele Anzüge haben Sie?«
»Äh … Einen.«
Ricardo zog ein Scheckbuch aus der Tasche und schrieb etwas mit einem schmalen Füller hinein. Dann riß er den Scheck heraus und reichte ihn mir. »Besorgen Sie sich dafür etwas zum Anziehen und zahlen Sie es mir zurück, wann immer es Ihnen paßt.«
Ich steckte den Scheck ein, und Ricardo brachte mich zu den Aufzügen. Im Hinausgehen begegnete ich Jamies Blick. Breit grinste er mich an.
Während der Lift die vierzig Stockwerke bis zum Erdgeschoß in rasender Geschwindigkeit überwand, entfaltete ich den Scheck. Er war groß und trug ein kompliziertes grünes Muster. Ausgestellt war er auf Ricardos Privatkonto bei einer Bank, von der ich noch nie etwas gehört hatte. In eleganten Schriftzügen und schwarzer Tinte stand dort zu lesen: »Zahlen Sie gegen diesen Scheck an Nicholas Elliot fünftausend Pfund aus.«
»Glückwunsch, Nick!«
Kate blickte mich mit ihren großen haselnußbraunen Augen an und nahm einen Hefen Schluck aus ihrem Champagnerglas. Jamie und sie waren zu mir gekommen, um mit mir zu feiern.
»Gratuliere nicht mir, gratuliere deinem Mann. Unglaublich, was er Ricardo für Lügen aufgetischt hat.«
»Tu immer das, was du am besten kannst«, sagte Jamie mit seinem gewinnenden, offenen Lächeln. »Nein, im Ernst, das hatte schon seine Richtigkeit. Ricardo sucht e x akt so jemanden wie dich. Und ich weiß, du wirst ihn nicht enttäuschen. « E r lachte. »Das solltest du auch nicht. Oder du mußt dich nicht nur nach einer neuen Stellung ums e hen.«
»Jedenfalls vielen Dank, Jamie.«
»Ich freue mich darauf, mit dir zusammenzuarbeiten. Genau wie damals bei den Hemmings-Tutorien, weißt du noch?«
»Ich hoffe im Interesse von Dekker Ward, daß du mehr über Märkte weißt als über Platon .«
»Da gibt ’ s keinen Unterschied. Schatten an den Wänden einer Höhle. Das wirst du noch früh genug merken.«
Jamie und ich waren Freunde, seit wir in unserem ersten Oxforder Semester zusammen dasselbe Tutorium besucht hatten. Dabei waren wir ganz verschieden. Jamie ging das Universitätsleben viel energischer an als ich, wobei eine Leidenschaft die andere ablöste: Rugby, Trinken, elegante Partys,
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