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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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sich ganz auf mich und gab mir das Gefühl, daß ich für ihn der wichtigste Mensch auf der Welt war. Ob ich wollte oder nicht, ich fühlte mich geschmeichelt.
    »Verstehe«, sagte er. »Aber wie kommen Sie auf die Idee, daß Sie hier zu irgend etwas nütze sein könnten? Sicher, auf akademischem Gebiet haben Sie etwas geleistet. Ein hervorragendes Examen in Politologie und Wirtschaftswi s senschaften in Oxford. Den Magister in Development Economi c s . Eine glänzende Beurteilung Ihres Dekans an der School of Russian Studies. Aber woher sollen wir wissen, daß Sie all das auf die Welt der harten Fakten anwenden können?«
    »Ich bin sicher, daß ich es kann«, sagte ich. Einen Augenblick lang überlegte ich, während ich versuchte, etwas in Worte zu fassen, was ich sogar mir gegenüber nur u n gern zuzugeben bereit war, ganz zu schweigen vor jemand anders. Aber ich wußte, wenn ich diesen Job haben wollte, mußte ich Ricardo von mir überzeugen. »Mir gefällt die russische Literatur, mir gefällt es, sie zu lesen und anderen zu vermitteln. Aber ich habe mit ansehen müssen, wie meine Studienkollegen die Uni verlassen und ein Verm ö gen in der City gemacht haben. Und die sind ganz b e stimmt nicht intelligenter als ich. Sie haben auch keine wie auch immer geartete Begabung im Geschäftlichen, die mir abginge. Ich will mir beweisen, daß ich ihnen in nichts nachstehe. Ich bin fleißig und habe eine rasche Auffassungsgabe. Ich werde mich durchsetzen.«
    »Sind Sie ein Workaholic?« fragte er.
    Ich grinste. »Nur anfallsweise.«
    Ricardo entspannte sich und lächelte zurück. »Nun, Jamie hat gesagt, Sie seien der intelligenteste Mensch, den er kennt. Und ich vertraue Jamies Urteil.« Er wartete auf meine Reaktion, doch ich hielt mich bedeckt. Zunächst wollte ich natürlich protestieren, aber dann zog ich es vor, den Mund zu halten. Guter alter Jamie, dachte ich. Seit j e her neigte er zu Übertreibungen, aber dieses Mal nahm ich sie ihm nicht übel.
    »Da ist noch etwas, was ich gern wissen würde«, fuhr Ricardo fort. »Wie verträgt es sich mit Ihren moralischen Grundsätzen, in der City zu arbeiten? Man wird Ihnen in Development Economics kaum erzählt haben, daß die Dritte Welt am Kapitalismus genesen wird.«
    »Richtig«, sagte ich. »Vor noch nicht allzulanger Zeit hätte man meine wirtschaftspolitischen Vorstellungen durchaus als sozialistisch bezeichnen können. Doch dann habe ich zwei Jahre in Rußland gelebt und wurde Zeuge, wie um mich herum das sowjetische System zerfiel. Ich habe mit eigenen Augen mit ansehen müssen, was für eine Katastrophe staatliche Planwirtschaft anrichten kann.«
    »Dann glauben Sie jetzt also an den freien Markt?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich glaube an gar kein ökonomisches System. Es gibt einfach zu viel Elend in der Welt, und ich habe zu viele russische Romane gelesen, um zu glauben, daß wir viel daran ändern können. Das hat es immer gegeben und wird es immer geben.«
    »Ich glaube, Sie irren sich«, sagte Ricardo. Er lehnte sich nach vorn und suchte wieder meinen Blick. »Nehmen Sie beispielsweise Lateinamerika. Die achtziger Jahre waren ein Jahrzehnt der Armut und Hoffnungslosigkeit. Der ganze Kontinent hat einen Riesenschritt rückwärts getan. Und warum? Weil das internationale Kapital ausblieb. Gut, da r an waren auch die Dummheit der Banken schuld, die in den siebziger Jahren zuviel Geld verliehen hatten, und die korrupten Politiker, die es geliehen hatten. Das will ich gerne konzedieren. Doch nun sieht die Situation sehr viel freundlicher aus. Jetzt fließt das ausländische Geld wieder in die Region zurück, was nicht zuletzt unser Verdienst ist. Und diesmal wird es für Dinge ausgegeben, die tatsächlich Gewinne abwerfen werden. Fabriken, Straßen, Bildungswesen. Dinge, die das Leben von Millionen von Menschen verändern werden. Ich bin stolz darauf, daß ich daran b e teiligt bin.«
    »Ich hoffe, Sie behalten recht«, sagte ich, konnte aber einen leisen Zweifel in meiner Stimme nicht ganz unterdrücken.
    »Ich sehe schon, ich habe Sie nicht überzeugen können. « R icardo lehnte sich zurück und lächelte. »Wie dem auch sei, eine gesunde Portion Realismus tut unserem Geschäft keinen Abbruch.« Er hielt für einen Moment inne und nahm einen Zug aus seiner Zigarette, ohne die Augen von mir abzuwenden. Sie waren tiefblau und standen in auffä l ligem Gegensatz zu seinem dichten schwarzen Haar und der sonnengebräunten Haut. Willenskraft und

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