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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Stube und kam kurz darauf mit seinem Operationsbesteck zurück. In seinen Augen lag eine Entschlossenheit, die ich nie zuvor bei ihm gesehen hatte. »Jetzt wird alles gut, Elisabeth«, rief er. »Der Prälat hat gesagt, ich soll dir die Hilfe geben, die du brauchst.«
    Ein schwaches Lächeln belohnte seine Worte. Die Stimme meiner Stiefmutter kam wie aus weiter Ferne: »Hol das Kind heraus. Das Kind, das Kind … sorg dich nicht … um mich.«
    »Du wirst leben, Elisabeth. Und das Kleine auch. Ich weiß, was ich tue.«
    Ich fragte mich, ob Vater wirklich so zuversichtlich war, wie er sich gab, aber ich hatte keine Gelegenheit, länger darüber nachzudenken, denn er blickte auffordernd in die Runde: »Nun, wer traut sich, mir zu assistieren?«
    »Willst du es wirklich wagen?«, fragte Alphons Wyss.
    »Hast du dir das auch gut überlegt?«, fragte Gotthard Iwein.
    Die Wehmütter und die Nachbarinnen fragten nichts. Sie traten von einem Bein aufs andere, tuschelten Unverständliches und verließen den Raum. Vater blickte ihnen nach. Zuckte mit den Schultern. Und befahl Iwein und Wyss, ein paar Laternen anzuzünden und sie an dem Deckenbalken über dem Bett aufzuhängen. Er brauche Licht, sagte er, sehr viel Licht.
    Während beide taten, wie ihnen geheißen, wandte er sich abermals an meine Stiefmutter. »Elisabeth«, sagte er mit rauher Zärtlichkeit, »die Schnitte mit dem Skalpell werden nichts sein gegen das, was du bisher an Schmerzen erleiden musstest.« Dann griff er zu einem Becher Wein, hielt ihn ihr an die Lippen und ließ sie ein paar Schlucke zur Stärkung trinken.
    Als die Laternen über dem Bett hingen, traten Iwein und Wyss einen Schritt zurück und verschränkten die Arme vor der Brust. In ihren Gesichtern stand Ablehnung. Ich fragte mich, warum sie blieben, wenn sie Vaters Vorgehen nicht guthießen. Wollten sie ihn scheitern sehen? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ihr Verhalten mir Gelegenheit gab, Vater zu helfen. Und das erfüllte mich mit Stolz.
    »Fass mit an, Lukas«, befahl Vater und schlug die Decke der Lagerstatt zurück. Gemeinsam zogen wir an den Beinen der Kreißenden, bis ihr Gesäß sich über dem Fußende des Bettes befand. Im Schein der Laternen wirkte ihr Leib wie ein mächtiger Kürbis. Die gespreizten Schenkel schimmerten blass. Vater trat zwischen die Beine und wies Iwein und Wyss an, sie sollten seiner Frau ein Kissen unter den Rücken schieben und ihr, wenn nötig, den Kopf stützen. Nachdem das geschehen war, zog er einen Holztisch heran und deckte ihn mit einem frischen Leinentuch ab. Dann breitete er seine Instrumente darauf aus. Sie waren vielfach gebraucht, doch sie blitzten und funkelten wie neu. Ich wusste, dass er häufig wegen seiner Reinlichkeit verspottet wurde, aber das kümmerte ihn wenig. »Weißt du«, hatte er einmal zu mir gesagt, »es muss seinen Grund haben, warum mir noch nie ein Tier an vergiftetem Blut gestorben ist. Und dieser Grund heißt: Säuberung des Bestecks. Sorgfältige Säuberung nach jeder Benutzung.«
    »Aber die Chirurgen behaupten, das sei Unsinn, da die Instrumente beim nächsten Eingriff ohnehin wieder schmutzig würden«, hatte ich entgegnet.
    »Kennst du den Kaponenmacher Nyffenegger aus Unterwalden?«, hatte er gefragt. »Der wurde vor zwei Sommern zu einer Kuh gerufen, die nicht kalben konnte. Er hat sie stehend an der Seite aufgeschnitten und das Junge herausgeholt. Drei Tage danach ist die Kuh an Wundbrand verreckt. Ich schwör dir, es hat nur an seinem schmutzigen Werkzeug gelegen. Überhaupt ist dem Nyffenegger schon so manches Vieh unter den Händen krepiert. Und nun frage ich dich: Willst du, dass mir so etwas auch passiert?«
    »Nein«, hatte ich hastig versichert.
    »Na siehst du«, hatte mein Vater gesagt.
    Jetzt sagte er zu Gotthard Iwein: »Wenn du dich nützlich machen willst, geh raus und frag die Wehmütter nach heißem Wasser und frischen Tüchern.« Und zu mir sagte er: »Gib mir das Schermesser, Lukas. Das mit der kurzen Klinge.« Ich gab es ihm, und er prüfte mit der Fingerkuppe die Schärfe. Er schien zufrieden. Mit kurzen, geschickten Bewegungen schabte er das Schamhaar fort. Es war eine Prozedur, wie er sie manchmal auch im Stall vornahm, um die Verletzung eines Tieres besser in Augenschein nehmen zu können, und ich glaubte zu spüren, wie meine Stiefmutter sich innerlich dagegen sträubte. Sie tat mir leid. Ich suchte ihren Blick und wünschte ihr, sie möge schlafen, tief schlafen, und von alledem nichts

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