Der Meister und Margarita
"Eine lächerliche Sache, sollte man denken, aber auch das bringt er nicht zuwege, denn plötzlich rutscht er aus und gerät unter die Straßenbahn! Sie werden doch nicht behaupten, er selbst habe das so gefügt! Ist es nicht richtiger, anzunehmen, daß ein anderer ihn so gelenkt hat?" Hier ließ der Unbekannte ein seltsames Kichern hören.
Berlioz hatte der häßlichen Erzählung vom Sarkom und von der Straßenbahn sehr aufmerksam gelauscht, und sorgenvolle Gedanken begannen ihn zu peinigen. Er ist kein Ausländer, er ist kein Ausländer, dachte er, er ist ein sehr sonderbares Subjekt. Aber bitte schön, wer ist er eigentlich?
"Ich sehe, Sie möchten rauchen?" sagte der Unbekannte plötzlich zu Besdomny. "Welches ist Ihre Sorte?" "Wieso, haben Sie mehrere bei sich?" fragte mürrisch der Lyriker, dem die Zigaretten ausgegangen waren. "Welche rauchen Sie am liebsten?" wiederholte der Unbekannte.
"Nun denn, die ,Lieblingsmarke'", antwortete Besdomny wütend.
Sofort holte der Unbekannte ein Zigarettenetui aus der Tasche und bot es Besdomny an. "Bitte, 'Lieblingsmarke'."
Der Redakteur und der Lyriker waren nicht so sehr davon beeindruckt, daß das Etui ausgerechnet die "Lieblingsmarke" enthielt, wie von dem Etui selbst. Es war sehr groß und aus hochkarätigem Gold, und als der Unbekannte den Deckel aufklappte, sprühte ein Brillantendreieck blaues und weißes Feuer. Den beiden Schriftstellern gingen unterschiedliche Gedanken durch den Kopf: Berlioz - doch, er ist ein Ausländer!; Besdomny — zum Teufel mit ihm, oder?
Der Lyriker und der Etuibesitzer steckten sich Zigaretten an; der Nichtraucher Berlioz hatte abgelehnt. Man müßte ihm so antworten, überlegte Berlioz: Ja, der Mensch ist sterblich, das bestreitet ja auch niemand. Aber die Sache ist die, daß ...
Allein, er kam nicht dazu, diese Worte auszusprechen, denn der Ausländer sagte:
Ja der Mensch ist sterblich, aber das wäre nicht so schlimm. Schlimm ist, daß er bisweilen sehr plötzlich stirbt, da liegt der Hase im Pfeffer! Nie kann er sagen, was er noch am selben Abend tun wird."
So was von dummer Fragestellung, dachte Berlioz und entgegnete: "Na, das ist ja nun übertrieben. Den heutigen Abend kann ich mehr oder weniger genau voraussehen. Natürlich, wenn mir in der Kleinen Bronnaja ein Ziegelstein auf den Kopf fällt..." "Von nichts und wieder nichts", unterbrach ihn der Unbekannte nachdrücklich, "fallt keinem ein Ziegelstein auf den Kopf. Insbesondere Ihnen nicht, das kann ich Ihnen versichern. Sie werden eines anderen Todes sterben."
"Vielleicht wissen Sie sogar, welchen Todes?" erkundigte sich Berlioz mit ganz natürlicher Ironie, da er sich nun schon auf dieses wirklich unsinnige Gespräch eingelassen hatte. "Können Sie es mir sagen?"
"Gern", erwiderte der Unbekannte. Er maß Berlioz mit einem Blick, als wolle er ihm einen Anzug nähen, und murmelte etwas durch die Zähne, was etwa so klang: "Eins, zwei... Merkur im weiten Haus ... Der Mond ist untergegangen ... sechs — Unglück ... Abend — sieben..." Laut und freudig erklärte er: Ihnen wird der Kopf vom Rumpf getrennt!" Mit weit aufgerissenen Augen, mit irrem und bösem Blick glotzte Besdomny den dreisten Ausländer an, und Berlioz fragte mit schiefem Grinsen:
"Wer wird denn das tun? Feinde? Interventen?"
"Nein", antwortete der Unbekannte, "eine russische Frau, eine Komsomolzin."
"Hm", brummte Berlioz, verdrossen über den schlechten Scherz des Unbekannten, "das ist aber, entschuldigen Sie, ziemlich unwahrscheinlich."
"Ich bitte auch um Entschuldigung", antwortete der Ausländer, ,,aber es ist so. Ja, ich möchte Sie geradeheraus fragen, was Sie heute abend vorhaben, wenn's kein Geheimnis ist?" "Es ist kein Geheimnis. Ich gehe jetzt nach Hause in die Sadowaja, und um zehn Uhr abends findet in der Massolit eine Sitzung statt, der ich präsidieren werde."
"Nein, das kann nicht sein", widersprach der Ausländer fest.
"Warum nicht?"
"Weil", antwortete der Ausländer und blickte mit eingekniffenen Augen zum Himmel, wo im Vorgefühl der abendlichen Kühle schwarze Vögel geräuschlos ihre Muster strichelten, "weil Annuschka Sonnenblumenöl gekauft hat, und nicht nur gekauft, sondern auch bereits verschüttet. Darum wird die Sitzung nicht stattfinden."
Nach diesen Worten trat unter den Linden begreiflicherweise Schweigen ein.
"Entschuldigen Sie", sagte Berlioz dann und sah den Ausländer an, der solchen Unsinn von sich gab, "was hat denn Sonnenblumenöl damit zu schaffen, und wer
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