Der Meister und Margarita
ist diese Annuschka?" "Folgendes hat das Sonnenblumenöl damit zu schaffen", sagte plötzlich Besdomny, sichtlich entschlossen, dem ungebetenen Gesprächspartner den Krieg zu erklären. "Waren Sie, Bürger, schon einmal in einer Klinik für Geisteskranke?" "Aber Iwan!" rief Berlioz leise.
Doch der Ausländer war keineswegs beleidigt, sondern lachte höchst vergnügt.
"War ich, war ich, mehr als einmal!" rief er lachend, doch seine Augen, die er auf den Lyriker heftete, lachten nicht mit. "Wo war ich nicht schon überall! Nur schade, daß ich nie Zeit fand, den Professor zu fragen, was Schizophrenie ist. Das müssen Sie ihn schon selber fragen, Iwan Nikolajewitsch!" "Woher wissen Sie denn, wie ich heiße?"
"Ich bitte Sie, Iwan Nikolajewitsch, wer kennt Sie nicht?" Der Ausländer zog die gestrige Nummer der "Literaturzeitung" aus der Tasche, und Besdomny erblickte gleich auf der ersten Seite sein Bild und darunter einige seiner Gedichte. Doch dieser Beweis für seinen Ruhm und seine Popularität, der ihn noch gestern erfreut hätte, ließ ihn jetzt kalt.
"Verzeihung", sagte er, und sein Gesicht lief dunkel an, "könnten Sie einen Moment warten? Ich möchte meinem Kollegen nur ein paar Worte sagen."
"Oh, mit Vergnügen!" rief der Unbekannte. "Es ist so schön hier unter den Linden, und ich habe Zeit."
"Hör mal, Mischa", raunte der Lyriker, nachdem er Berlioz beiseite gezogen hatte, "der ist kein Tourist, sondern ein Spion, ein russischer Emigrant, der zu uns eingeschleust wurde. Frag ihn doch gleich mal nach seinen Papieren, sonst entkommt er noch." "Meinst du?" flüsterte Berlioz beunruhigt und dachte dabei: Er hat wohl recht.
"Glaub mir", zischte'ihm der Lyriker ins Ohr, "er spielt nur den Dummen, um aus uns was rauszulocken. Du hörst ja, wie gut er Russisch spricht." Besdomny spähte dauernd zur Seite, ob der Unbekannte sich nicht aus dem Staub machte. "Komm, wir müssen ihn festhalten, sonst haut er ab." Der Lyriker zog Berlioz an der Hand zur Bank zurück. Der Unbekannte stand jetzt vor der Bank und hatte ein dunkelgrau gebundenes Büchlein, einen festen Umschlag aus gutem Papier und eine Visitenkarte in der Hand. "Verzeihen Sie, daß ich im Eifer unseres Disputs vergessen habe, mich Ihnen vorzustellen. Hier meine Karte, mein Paß und die Einladung, zu einer Konsultation nach Moskau zu kommen", sprach er gewichtig und blickte die beiden Schriftsteller durchdringend an.
Die wurden verlegen. Zum Teufel, er hat alles gehört, dachte Berlioz und deutete mit weltmännischer Geste an, daß die Vorlage der Papiere überflüssig sei. Während der Ausländer sie dem Redakteur unter die Nase hielt, hatte der Lyriker auf der mit fremdländischen Schriftzeichen bedruckten Visitenkarte das Wort "Professor" und den Anfangsbuchstaben des Nachnamens, ein V, ausgespäht.
"Sehr angenehm", murmelte der Redakteur verlegen. Der Ausländer schob die Dokumente in die Tasche. Die Beziehungen waren somit wiederhergestellt, und alle drei nahmen auf der Bank Platz.
"Sie sind als Konsultant zu uns eingeladen worden, Professor?"
fragte Berlioz.
,Ja, als Konsultant."
"Sie sind Deutscher?" erkundigte sich Besdomny.
"Ich?" fragte der Professor zurück und dachte nach. ,Ja, ich bin wohl Deutscher."
"Sie sprechen prima Russisch", bemerkte Besdomny.
"Oh, ich bin überhaupt ein Polyglott und beherrsche sehr viele Sprachen", antwortete der Professor.
"Was sind Sie von Beruf?" forschte Berlioz. "Ich bin Spezialist für Schwarze Magie." Da haben wir's! durchzuckte es Berlioz.
"Und ... und in dieser Eigenschaft sind Sie zu uns eingeladen worden?" fragte er stotternd.
,Ja", bestätigte der Professor und erläuterte: "In der hiesigen Staatsbibliothek sind echte Handschriften des Schwarzkünstlers Gerbert d'Aurillac aus dem zehnten Jahrhundert entdeckt worden. Die soll ich entziffern. Ich bin der einzige Spezialist auf der Welt."
"Ah! Sie sind Historiker?" fragte Berlioz erleichtert und respektvoll.
,Ja, ich treibe Geschichte", bestätigte der Gelehrte und fügte unmotiviert hinzu: "Heute abend wird an den Patriarchenteichen eine interessante Geschichte passieren!"
Wieder waren der Redakteur und der Lyriker äußerst befremdet, der Professor aber winkte beide zu sich heran, und als sie sich zu ihm beugten, flüsterte er: "Ich sage Ihnen, Jesus hat existiert."
"Sehen Sie, Professor", erwiderte Berlioz und lächelte gezwungen, "wir achten Ihre großen Kenntnisse, aber in dieser Frage stehen wir auf einem anderen Standpunkt." "Es
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