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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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verknoteten Seilstücken in Augenschein genommen, ohne auch nur einen Moment lang darüber nachzudenken, für wessen Handgelenke dieses Seil bestimmt gewesen war. Sie blickte hinauf zum Himmel, um zu sehen, ob das Wetter bald umschlagen würde, ohne sich ins Bewusstsein zu rufen, dass der Anblick ebendieser Baumwipfel das Letzte gewesen wäre, was sie in diesem Leben gesehen hätte. Jane Rizzoli, das Opfer, war heute nicht hier. Ihre Kollegen würden nichts von ihr zu sehen bekommen, so intensiv sie sie auch beobachteten. Niemand würde irgendetwas zu sehen bekommen.
    Sie schlug ihr Notizbuch zu, und als sie wieder aufblickte, sah sie Gabriel Dean durch den Wald auf sich zukommen. Obwohl ihr Herz höher schlug, als sie ihn erkannte, begrüßte sie ihn nur mit einem knappen Nicken und einem Blick, der sagte: Wir sind hier im Dienst und sollten uns auch so benehmen.
    Er verstand, und so begegneten sie sich wie zwei Berufskollegen, sorgsam darauf bedacht, sich nicht anmerken zu lassen, wie nahe sie einander erst vor zwei Tagen gekommen waren.
    »Er ist vor sechs Monaten von VIP Limousines als Fahrer eingestellt worden«, sagte sie. »Die Yeagers, die Ghents, die Waites – er hat sie alle gefahren. Und er hatte Zugang zu den Fahrgastlisten der Firma. Er muss meinen Namen darauf entdeckt haben. Daraufhin hat er die bereits angemeldete Fahrt zum Flughafen gestrichen und ist selbst anstelle des ursprünglich vorgesehenen Fahrers hingefahren, um mich abzuholen.«
    »Und VIP hatte seine Referenzen überprüft?«
    »Sie waren zwar schon ein paar Jahre alt, aber es waren hervorragende Referenzen.« Sie hielt inne. »Von Militärdienst war in seinem Lebenslauf allerdings keine Rede.«
    »Das liegt daran, dass John Stark nicht sein richtiger Name war.«
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Er hatte eine falsche Identität angenommen?«
    Dean deutete in Richtung der Bäume. Sie gingen ein Stück in den Wald hinein, um ungestört reden zu können.
    »Der echte John Stark ist im September 1999 im Kosovo ums Leben gekommen«, sagte Dean. »Er war bei der UN-Schutztruppe und wurde getötet, als sein Jeep auf eine Landmine fuhr. Er ist in Corpus Christi, Texas, begraben.«
    »Dann kennen wir noch nicht einmal den richtigen Namen unseres Täters.«
    Dean schüttelte den Kopf. »Fingerabdrücke, Röntgenaufnahmen der Zähne und Gewebeproben werden sowohl an das Pentagon als auch an die CIA geschickt.«
    »Von dort werden wir keine Antworten bekommen, oder?«
    »Nicht, wenn der Dominator einer von ihren Leuten war. Was diese Herren betrifft, hast du ihnen das Problem abgenommen. Damit ist für sie alles gesagt und getan.«
    »Kann sein, dass ich ihr Problem gelöst habe«, sagte sie verbittert. »Aber meines ist noch am Leben.«
    »Hoyt? Um den musst du dir keine Gedanken mehr machen.«
    »Verdammt, hätte ich doch bloß noch einmal abgedrückt …«
    »Er ist wahrscheinlich vom Hals abwärts gelähmt, Jane. Ich kann mir keine schlimmere Strafe vorstellen.«
    Sie hatten den Waldrand erreicht und traten auf den Weg hinaus. Die Limousine war bereits am Abend abgeschleppt worden, doch die Spuren der gestrigen Ereignisse waren noch zu sehen. Sie blickte auf das getrocknete Blut, das die Stelle markierte, wo der Mann, der sich John Stark nannte, gestorben war. Ein paar Meter weiter bezeichnete ein kleinerer Fleck den Punkt, wo Hoyt gestürzt war, wo er mit zerschmettertem Rückenmark und gelähmten Gliedern gelegen hatte.
    Ich hätte dem Ganzen ein Ende machen können, aber ich habe ihn leben lassen. Und ich weiß immer noch nicht, ob es die richtige Entscheidung war.
    »Wie geht es dir, Jane?«
    Sie hörte die persönliche Betroffenheit aus seiner Frage heraus; das Eingeständnis, dass sie mehr waren als nur Kollegen. Sie sah ihn an und war sich plötzlich peinlich bewusst, wie sie mit ihrem geschwollenen Gesicht und dem dicken Verband auf dem Kopf wirken musste. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn er sie nicht so gesehen hätte, aber nun stand sie ihm schon gegenüber, und es war sinnlos, ihre Blessuren vor ihm verbergen zu wollen. Sie konnte nur tapfer ausharren und seinen Blick erwidern.
    »Mir geht’s gut«, sagte sie. »Ein paar Stiche am Kopf, ein bisschen Muskelkater. Und wahrscheinlich habe ich auch schon mal besser ausgesehen.« Sie lachte. »Aber du hättest mal den anderen Kerl sehen sollen.«
    »Ich glaube, es ist nicht gut, dass du hier bist«, sagte er.
    »Was meinst du damit?«
    »Es ist noch zu früh.«
    »Wenn jemand hier sein

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