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Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Heymalländer und Tillorn von einzelnen Familien, Handelsherren, Gilden und der Furcht vor den Wilden Fängern aufrechterhalten wurde. Für einen Mann, dessen Arm stark und dessen Börse gefüllt war, bedeutete Sarphand eine Traumstadt voller Möglichkeiten. Für einen Armen war sie der steingewordene Alptraum. Unrecht und Korruption, Intrigen und düstere Geheimnisse gediehen in Sarphand wie wuchernde Pflanzen.
    Beide Männer in den Sänften gehörten zu jenen, ganz unzweifelhaft, deren Lebensinhalt eben diese Intrigen und Geheimnisse waren. Aus diesem Grund bemächtigten sich der etwa fünfhundert Gaffer Aufregung und erwartungsvolle Spannung.
    Der nächste Sklave, ein verhungert wirkender Norder, wurde vom Podium gezerrt und kauerte sich zitternd, die Striemen der Peitsche auf der Haut, zu Füßen seines neuen Herrn nieder. Eine alte Frau wurde zurückgeschickt. Sie war nicht einmal weit unter dem geforderten Preis an den Herrn zu bringen. Bleichhäutige Zwillinge wurden von einem dicken, dunkelhäutigen Mann gekauft. Ununterbrochen schlug der Hammer des Auktionators auf die dröhnende Holzplatte; der Mann rief einen Namen und machte eine Eintragung. Noch boten weder der Eunuche noch der geheimnisvolle Croesus. Sie saßen schweigend in ihren Sänften und sahen dem Treiben zu.
    Ein alltäglicher Sklavenmarkt. Niemand in Sarphand empfand mit den Opfern auch nur das geringste Mitleid. Fast jeder wusste, dass dasselbe Schicksal auch ihn treffen mochte. Das Schicksal war unberechenbar und traf mit der Willkür eines Blitzes aus heiterem Himmel. Menschen waren nichts anderes als eine ähnlich langlebige Ware wie Schiffstaue, Planken oder Goldmünzen mit dem Bild Sarphas des Ersten.
    Das Erscheinen eines Mannes in kostbaren Lederstiefeln, einem langen weißen Gewand und einem Gesichtsschleier, der nichts anderes als zwei flammende Augen frei ließ, brachte die nächste kleinere Abwechslung in das Geschehen. Er trat, nachdem der verkaufte Sklave vom Steg gestoßen worden war, genau beim Klang des Bronzegongs auf das Podium.
    Seine Stimme drang dunkel unter dem dünnen Schleier hervor. An den Fingern der Hand, die er wie anklagend in den Himmel stieß, funkelten breite Ringe und auffallend große Steine, deren Feuer die zunächst Stehenden blendete.
    »Ich bin der Karawanenhändler Abudirg«, sagte er deutlich vernehmbar. »Vor Jahren hat mich ein Betrüger hereingelegt. Jedermann kennt die traurige Geschichte. Nunmehr habe ich die Gelegenheit, gleichermaßen diesen Betrüger eines Besseren zu belehren, es ihm heimzuzahlen und eine Ware anzubieten, die euch alten Lustgreisen den Geifer auf die Lippen treiben wird. Eine junge Frau von ungewöhnlichem Aussehen und ein Junge von prachtvoller Gestalt, nur als Paar abzugeben, und die beiden sind die unvergleichlichen Perlen dieser heutigen Veranstaltung. Aufseher, walte deines Amtes!«
    Ein Peitschenschlag knallte, der Gong dröhnte abermals dreimal auf. Ein halbwüchsiger Junge und eine junge Frau wurden, nachdem Abudirg den Steg verlassen hatte, vom Aufseher heraufgebracht. Sie waren ohne Fesseln. Das weiße Haar der Frau bildete einen seltsamen Kontrast zu ihrer gebräunten Haut und dem makellosen Körper. Abudirg hatte den Jungen und die Frau weder hungern noch dürsten lassen. Vor der Versteigerung waren diese Sklaven gebadet und ihre Haut mit Öl massiert worden. Er wusste, dass nur bestens erhaltene Ware den höchsten Preis erzielte.
    Ein Raunen und Murmeln ging durch das Publikum.
    »Wie hoch ist der Preis?« brüllte ein Interessent.
    Der Aufseher des Marktes nannte eine erstaunliche Summe. Sie wurde durch nichts anderes gerechtfertigt als dadurch, dass die feingliedrige Frau mit dem silbern scheinenden Haar und der trotzig dreinblickende Junge ein seltsames Paar bildeten. Obwohl auf diesem Markt schon schönere Frauen um weniger Geld verkauft worden waren, ging von beiden Sklaven eine Aura des Ungewöhnlichen aus.
    »Aber beachtet, dass sie nur als Paar verkauft werden!« rief der Auktionator und ließ seinen Blick blinzelnd über die Bieter schweifen.
    »Einhundertzehn!« rief jemand.
    »Einhundertzwanzig!« schrie ein anderer.
    Etwa fünfundzwanzig Männer wollten sich gegeneinander überbieten, bis einer der Sklaven Loppos rief: »Loppo bietet dreihundert.«
    »Dreihundertfünfzehn«, erscholl es aus der Sänfte des Croesus. Zum erstenmal breitete sich wirkliches Schweigen zwischen den Mauern aus.
    Aus der Sänfte von Loppo drang ein unterdrückter Fluch. Dann

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