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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.j. Rose
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als hinterließen seine Worte winzige Kratzer auf ihrer Haut. Doch dass sie blutete, kümmerte sie nicht. Sie wollte Teil sein dieser Bewegung, dieser Qual, dieser Spannung. Es übertraf alles, was ihr je zugestoßen war.
    Und dann war es vorbei.
    Benommen, die Haut glühend heiß, legte Rachel den Kopf in den Nacken und starrte unter die Decke. Wie lange mochte die Episode gedauert haben? Eine halbe Stunde?
    Sie griff nach ihrem Weinglas. Nein, es war immer noch kühl.
    Minuten bloß?
    Nur erschien ihr alles so realistisch! Viel wirklichkeitsgetreuer als irgendein Tagtraum zuvor und nicht nur ein Bild, das ihr im Kopf herumspukte. Wie von einem Sog erfasst, war sie durch Zeit und Raum gereist, für einen Augenblick an einen ganz anderen Ort – nicht nur als Zuschauerin der Szene, sondern als Teil davon.
    Sie verließ das Schlafzimmer, tappte die bogenförmig angelegte Treppe hinunter und begab sich in die Küche. Sie brauchte etwas Stärkeres als Wein. Wäre doch ihr Onkel da gewesen! Dann hätte sie ihm das Erlebte schildern können. Diese Dinge faszinierten ihn. Aber sie hatte ja gar nichts erlebt! Vermutlich war sie aus lauter Übermüdung kurz eingenickt und hatte die Villa, die Männer, die Farben nur geträumt.
    Sie nippte an dem Cognac, den sie sich eingeschenkt hatte. Das scharfe Getränk trieb ihr die Tränen in die Augen, brannte wie Feuer in der Kehle. Anstatt zurück ins Schlafzimmer, ging sie ins Arbeitszimmer ihres Onkels und setzte sich an seinen Schreibtisch. Dort, umgeben von seinen Büchern, fühlte sie sich geborgen. Und da, in diesem Moment, entdeckte sie etwas – teilweise unter die Schreibunterlage geklemmt, sodass es kaum auffiel: der Zipfel eines Zeitungsartikels.
    Sie zog ihn hervor.
    Grabkammer vermutlich 1600 Jahre alt.
    Fröstelnd las Rachel die Datumszeile. Dieser Bericht war vor zwei Wochen verfasst worden, ebenfalls in Rom und wieder von dem Korrespondenten, dessen Namen Rachel vorhin auf ihrem Laptop gesehen hatte. Nein, dass Alex diesen Artikel aus der Zeitung gerissen hatte, war in keiner Weise ominös. Onkel Alex war Kunstsammler, sein Haus mit Kunstgegenständen gespickt. Gräber gaben nun einmal antike Schätze preis. Jetzt nicht überreagieren! mahnte sich Rachel. Das ist alles reiner Zufall.
    Oder?
    Was hätte es sonst sein sollen?

6. KAPITEL
    R om, Italien – Dienstag, 07:45 Uhr
    Josh verspürte ein scharfes Brennen in der Magengegend, ein so heftiges Zerren, dass es ihn schier betäubte und ihm den Atem raubte. Zum zweiten Mal brach ihm der kalte Schweiß aus allen Poren. Der Schmerz verschlimmerte sich. Josh musste heraus aus dem Stollen, und zwar sofort; vor Panik bekam er fast keine Luft mehr. Wenn er jetzt auch noch hyperventilierte, konnte er glatt ersticken. Der Professor war zu alt und zu langsam, um rechtzeitig zu ihm zu gelangen.
    Nur stellte Josh fest, dass er nicht wenden konnte. Der Gang war zu eng. Wie war das möglich? Er war doch bis hierhergekommen, oder?
    Rücklings auf die Waden gekauert, streckte er seine Arme aus und befühlte die Stollenwände zu beiden Seiten. Fast sofort stießen seine Finger auf Lehm und Erde. Ohne dass Josh es wahrgenommen hatte, musste der Tunnel sich wohl ständig verjüngt haben.
    Auf einmal hellwach und bei vollem Bewusstsein, merkte Josh jetzt erst richtig, wie finster es in dem Gang war. Bei dem Geruch der modrigen Luft wurde ihm übel; unerklärlicherweise war er ganz plötzlich überzeugt, dass er in diesem Stollen sterben musste. Jetzt und auf der Stelle, jeden Moment. In dieser schmalen, engen Röhre, in der man sich nicht umdrehen konnte.
    Ein kleines Felsstück löste sich aus der Decke und prallte ihm auf die Schulter. Was, so fragte sich Josh, wenn jetzt ein Steinschlag losbricht? Wenn du in diesem Höllenschlund stecken bleibst? Todesangst schnürte ihm die Brust zusammen; die Atemnot wurde immer schlimmer. Es half kein Hin und Her; er konnte sich weder drehen noch wenden.
    Die Panik steigerte sich.
    Einige tiefe Atemzüge.
    Eine volle Minute Konzentration auf eine simple Tatsache: Er war bis hierher gelangt. Das hieß, dass auch ein Hinauskommen möglich sein musste.
    Natürlich! Kriech einfach rückwärts! Dreh dich erst dann um, wenn der Gang wieder breiter wird.
    Das dumpfe, krampfhafte Gefühl von Enge löste sich auf, die Angstattacken ließen nach, und Josh registrierte einen ganz anderen Schmerz: Der Stollenboden war mit Geröll übersät. Kiesel und scharfkantige Steine zerschrammten ihm die Hände,

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