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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.j. Rose
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Erinnerungen die Regie: Vor seinem geistigen Auge sah er, wie sich die morschen Knochen mit Gewebe und Muskelfleisch überzogen; Gesicht, Hände, Brüste, Hüften, Schenkel und Füße bildeten sich heraus. Sie erwachte zum Leben. Ihre Lippen färbten sich zartrosa, ihre Augen nahmen ein tiefes Blau an. Die kupferroten Reste des Leinengewandes wurden so weiß, wie sie vor Jahrhunderten gewesen waren. Einzig ihr langes rotes Haar blieb unverändert – in der Mitte gescheitelt und geflochten zu zwei Zöpfen, die ihr über die Schultern reichten.
    Zwar war sie inzwischen ein Leichnam, bestehend aus sprödem Gebein, die Haut wie Leder … doch einst … einstmals … da war sie eine Schönheit gewesen. Abermillionen Eindrücke stürzten auf Josh ein, jahrhundertealte Worte, die er nie zuvor vernommen hatte, eines lauter als das andere. Eines aber übertönte dieses Sprachwirrwarr.
    Sabina.
    Das war ihr Name.

4. KAPITEL
    “I ch weiß ja nicht, ob Sie diese Geschichte selbst glauben. Ich tue es jedenfalls”, sagte der Professor, nachdem Josh ihm in aller Kürze geschildert hatte, was ihm in den vergangenen sechzehn Monaten passiert und wieso er so früh am Morgen zur Ausgrabungsstätte gekommen war. “Jedes Mal, wenn Sie Bella anschauten, konnte man erkennen, dass Sie noch etwas anderes vor Augen hatten. Mir war klar, dass das nicht nur bloße Neugier war, sondern mehr.” Er wirkte außerordentlich zufrieden mit sich selbst.
    Ja, wenn man die Augen etwas verengte und dann hinschaute, konnte man bei dem diffusen Licht den Eindruck gewinnen, als sei die in der Ecke kauernde Mumie eine lebendige Frau – nicht eine tausendsechshundert Jahre alte Hülle, die man vor Kurzem aus ihrem ewigen Schlaf gerissen hatte.
    Ein Luftzug fegte vom Einstiegsloch her durch die Kammer, und aus ihren Zöpfen löste sich eine einsame Locke.
    Sie war stets sehr stolz auf ihr Aussehen gewesen, auf ihr gepflegtes Äußeres. Wie hatte sie es gehasst, wenn etwas ihr Haar in Unordnung brachte! Er sah es vor sich, wie sie die Zöpfe entflocht, wie daraus jenes herrliche, nach Jasmin und Sandelholz duftende Seidenzelt wurde, in dessen Schutz sie sich heimlich küssten, unter den Bäumen, nach Einbruch der Dunkelheit. Dann fiel es ihm über die Wangen und Lippen, das Haar; dann ließ er die seidigen Locken durch seine Finger rinnen – gleich einem Faden, der beide zusammenwebte und auf immer unzertrennlich verband.
    Viel zu spontan und ohne lange zu überlegen streckte er einfach die Hand aus, um nach der Locke zu greifen und …
    “Nicht!”, rief der Professor scharf und riss Josh zurück. “Sie ist zerbrechlich! Dass sie so unversehrt ist, grenzt an ein Wunder. Sie könnte zerfallen, wenn man sie berührt. Verstehen Sie?”
    Ihr Haar auf seinen Fingerspitzen zu spüren, war für Josh nahezu unerträglich. Er wandte sich ab und richtete sein Augenmerk auf das antike, rußgeschwärzte Öllämpchen, das auf dem Boden stand, ganz so, als habe sie es mit Bedacht so dicht wie möglich an die Nische gestellt, direkt vor den verfärbten Lehmfleck.
    Die Tore in seiner Fantasie öffneten sich einen weiteren Spalt. Unter dem Ansturm der neuen Erkenntnisse begannen Joshs Schläfen erneut zu pochen. Er musste tiefer hinein in die Erinnerung, durfte nicht nur an ihrer Oberfläche dahinsegeln. Aber er konnte nicht gleichzeitig an zwei Orten sein, sondern immer nur an einem – entweder im Jetzt oder im Einst.
    Sperr dich nicht! Konzentrier dich auf das, was geschehen ist! Vor langer, langer Zeit, genau hier. Was ist an diesem Ort vorgefallen?
    Ohne Rücksicht auf die Warnung des Professors, er könne den Fund womöglich ruinieren, sank Josh auf die Knie und begann mit bloßen Fingern an der Lehmwand zu kratzen. Er musste etwas beweisen. Ihr. Sich selbst. Er wusste nicht, was es war. Er wusste nur, dass etwas, das jenseits dieser Trennwand lag, ihn rechtfertigen würde.
    “Was soll das?”, rief Rudolfo entsetzt. “Lassen Sie das!”
    Als wäre der Traum Wirklichkeit geworden und die Wirklichkeit stattdessen entflohen, drang Josh der Warnruf nur gedämpft an die Ohren, und auch die Hand, die ihn zurückzuhalten versuchte, spürte er kaum. Der Protest des Mannes spielte keine Rolle. Jetzt nicht mehr.
    Die Nischenwand bestand aus fest verdichtetem Lehm, doch nachdem Josh eine erste Vertiefung hineingekratzt hatte, ging der Durchbruch relativ rasch vonstatten. Die nur zehn bis zwölf Zentimeter dicke Mauer, etwas über einen Meter hoch und einen weiteren

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