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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.j. Rose
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einzudämmen; beherzt wie jeder x-beliebige Mann bekämpfte sie den Brand. Als beider Blicke sich für einen Moment begegneten, wandte Julius sich ab, denn trotz der Hitze wurde ihm eisig kalt von der Art und Weise, wie Sabina ihn anblitzte. Sie war zum Überleben entschlossen, was nichts anderes hieß, als dass das Feuer sterben musste. Doch entweder hatte sie schon zu viel Rauch eingeatmet, oder sie war zu erschöpft, denn plötzlich sank sie zu Boden.
    Schmerzhafte Brandblasen entstellten ihre Wangen. Ihr Kleid war seitlich und vorn zerrissen, wodurch es ihre langen Beine entblößte und ihre Brüste sich deutlich abzeichneten. Sie war schwarz vor Ruß.
    Die anderen Feuerwehrleute merkten anscheinend nicht, dass da eine Frau zusammengesunken am Boden lag. Es bestand die Gefahr, dass sie, falls sie denn überhaupt noch lebte, zu Tode getrampelt wurde. Das durfte Julius nicht zulassen. Er verließ seinen Posten, rannte zu der Liegenden hin, hob sie vom Boden auf und trug ihren leblosen Körper aus der Gefahrenzone. Die Hitze hinter ihm wurde immer schwächer, bis er sie kaum noch wahrnahm.
    Schwer ruhte Sabina auf seinen Armen; wuchtig spürte er ihre Last: die Bürde ihrer Kraft und Vitalität, ihrer Stellung als oberste Vestalin. Endlich, in sicherer Entfernung vom Feuer, ließ er sie auf einem Rasenstück zu Boden gleiten und gestattete sich, alle seine Sinne auf sie zu richten, seiner Neugier nachzugeben, seiner Besessenheit. Denn wenn er ehrlich zu sich war, dann war er ihr inzwischen regelrecht verfallen. Trotz aller gegenteiligen Anstrengungen und entgegen jeglicher Logik.
    Das Ohr an ihren Busen gelegt, lauschte er auf ihren Herzschlag, doch vernahm allein das Hämmern seines eigenen Herzens. In ihrer Brust indes herrschte Stille.
    Nein! Es durfte nicht sein, dass das Feuer sie besiegt hatte.
    Nicht Sabina.
    Dass er schrie, nahm er erst wahr, als der Wind ihm die eigenen Worte entgegenwehte.
    Nein! Nicht Sabina!
    Sie besaß zu viel Energie, zu viel Entschlossenheit.
    Er hätte gern gebetet, aber die Trauer machte ihn sprachlos. Die Augen geschlossen, roch er Jasmin und Sandelholz, vermischt mit beizendem Rauch. Ihr Duft wisperte ihm zu – verhieß etwas, das er nicht kannte und nun auch niemals erfahren sollte.
    Als die anderen Priester in seinem Alter waren, hatten sie geheiratet und Kinder gezeugt. Sie machten sich darüber lustig, dass er noch ledig war, und hatten kein Verständnis dafür. Die Ehe, so schalten sie, ließ doch Raum für jeden Geschmack und jede Neigung – selbst Männern, die die gleichgeschlechtliche Liebe bevorzugten. Warum suchst du dir keine Gemahlin?
    Allein vor sich selbst, nur jetzt durfte er sich gestehen, dass er eine Frau gefunden hatte, die er gerne zur Gemahlin genommen hätte. Doch ausgerechnet diese gehörte zu den ganz wenigen Auserwählten in der gesamten Stadt, die er nicht haben durfte.
    Als sie Vestalin wurde, war Julius noch ein junger Priester gewesen. Von Anfang an hatte sie sich hervorgetan, als junges Mädchen klug und neugierig, als Heranwachsende energisch und entschlossen. Als ihr gertenschlanker Leib erste Rundungen bildete, als ihre Brüste und Schenkel unter dem Priesterinnengewande ihm verlockend winkten, da wurde aus seiner anfänglichen Bewunderung rasch Begehren.
    Zwölf Jahre lang hatte Sabina ihn verspottet und herausgefordert. Nun sah es so aus, als wolle sie ihm selbst im Tod keine Ruhe lassen.
    Dass sie ihn überhaupt nicht leiden konnte, hätte sein heißes Verlangen eigentlich abkühlen müssen. Stattdessen aber entflammte dieser Hass das Feuer in ihm erst recht. Wenn er in seinen Gemächern allein war, gequält von wollüstigen Fantasien, ließ er sich eine Dirne kommen. Doch weder die buhlerischsten noch die begehrlichsten noch die vulgärsten vermochten das Bildnis der Jungfrau zu verscheuchen. Julius flehte die Götter an und bat sie, ihn von seinem Begehren zu erlösen. Als sie sein Flehen nicht erhörten, verdrängte er seine Gefühle … Es ging nicht anders. Seine Zuneigung hätte sich für Sabina verhängnisvoll auswirken können. Jede Form von körperlicher Vereinigung konnte für sie das Todesurteil bedeuten. Für ihn auch.
    Sie hielt die Augen geschlossen; ihr herrliches rotes Haar war rußgeschwärzt und versengt. Julius hockte neben ihr im Gras, unfähig aufzustehen, wenngleich das Feuer immer noch tobte und die Wehrmänner seine Hilfe brauchten. Sabinas Schwestern mussten bald kommen, um ihren Leichnam zu holen und ihn für das

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