Sternenjagd
1
Die Alarmsirene der Careless Venture ging los und erfüllte die Höhle mit einem gellenden Heulton. Trilby Elliot sprang auf und stieß dabei versehentlich ihre provisorische Werkbank um. Das Ultraschallschweißgerät und die Kabel der Steuereinheit polterten krachend zu Boden.
Sie stürmte zur Rampe ihres Frachters. Über ihr geriet ein Nest aus dem Schlaf gerissener Blutfledermäuse in Aufruhr: Wie ledrige kleine Raketen schossen die Tierchen aus ihrer Felsspalte und wirbelten panisch um sie herum. Kreischend flohen sie dann durch die breite Höhlenöffnung in die lavendelblaue Dämmerung hinaus.
Als sie die Rampe erreichte, zischte am Himmel ein silbern blitzendes Objekt vorbei.
»Mist, Mist, Mist.« Ein anderes Schiff. Das bedeutete garantiert großen Ärger. Und selbst kleinen Ärger konnte sie im Moment ganz und gar nicht gebrauchen.
Sie sprintete durch die Luftschleuse.
Durch den Mittelgang des Frachters wand sich ein Gewirr schwarzer Kabelschlangen, buckelte über die offene Einstiegsluke und führte zur Brücke. Sie rannte hin, ohne auf die Kabel zu treten, und schlug auf einen Knopf. Der Alarm brach ab. Ein Druck mit dem Daumen aktivierte das Intracom. »Dezi, wir haben Besuch! Übernimm die Brücke.«
»Schon auf dem Weg, Captain.« Die gelassene Stimme kam von drei Decks tiefer, aus der Wartungseinheit.
Wenn Dezi sehen könnte, was sie hier oben sah …
Die Lichter flackerten in furiosem Stakkato auf dem Scannerschirm. Ominöse Datenreihen wanderten über den Monitor, doch sie blieben nervtötend lückenhaft. Das hereinkommende Schiff war offenbar klein, aber Trilbys fehlerhaftes Equipment verweigerte die Herausgabe genauerer Daten. Vielleicht war es ein konklavischer Aufklärer, es konnte aber auch eine Piratensonde sein. Oder die Vorhut eines Kriegsgeschwaders von Gott weiß woher.
Aus dem Gerätespind schnappte sie sich Fernglas und Lasergewehr und knipste das Intracom wieder an. »Der Hauptscanner streikt immer noch. Ich geh raus und schau mir das an.«
Gelassene Zustimmung, genau wie zuvor. Guter alter Dezi.
Eine Wand aus heißer Abendluft stemmte sich ihr entgegen, als sie durch die hohe Höhlenöffnung nach draußen trat. Sie hockte sich zwischen ein Geflecht aus verhakten Dornenpalmen und ein paar moosbedeckte Felsbrocken und scannte mit dem Fernglas den Himmel ab. Die blendenden Strahlen der bereits tief stehenden Sonne bissen ihr gnadenlos in die Augen.
»Verdammt!« Sie streifte mit dem Daumen über den Autofilter. Nichts geschah. Der Filter klemmte – mal wieder. Sie schlug sich das Fernglas kräftig gegen die Hüfte, dann versuchte sie es erneut.
Die Okulare wurden einen Moment lang trüb, dann justierte sich das Gerät. Sie schwenkte über den Horizont auf der Suche nach irgendetwas, was sich bewegte, und lauschte, ob was anderes zu hören war als das dichte Schweigen des Dschungels und ihr hämmerndes Herz. Fünf Minuten vergingen. Schweißflecken verpassten ihrem schmutzig-grünen T-Shirt ein Zufallsmuster.
Da! Ein Flackern, ein metallisches Schimmern. Sie hielt mit dem Fernglas drauf. Das Bild stellte sich schärfer, bis sie es erkennen konnte. Was sie sah, jagte ihr einen Schauer über die verschwitzte Haut. Ein Tark, ein hochgerüsteter ’Sko-Fighter. Seine unverwechselbare Silhouette mit den geschwungenen Flügeln zeichnete sich deutlich vor dem schwindenden Sonnenlicht ab.
Schnell machte sie einen 360er-Rundscan. Der Rest des Geschwaders musste hier auch irgendwo sein. Was heißen würde, dass es im Orbit ein Mutterschiff gab. Irgendwo. Und irgendwo war ein Ort, in dessen Umgebung man sich besser nicht aufhielt, wenn die ’Sko im Spiel waren.
Doch am rötlich eindunkelnden Himmel zeigte sich nichts. Nichts außer dem einsamen Tark.
Der ’Sko-Fighter blitzte hin und wieder zwischen den lavendelfarbenen Wölkchen auf, trudelte dahin wie ein verschrecktes Fabelwesen, das auf einer Eisscholle reitet. Selbst besoffen flog Trilby besser als der da. Dann trat der Fighter aus einer Wolkenbank hervor, und sie sah die unmissverständlichen Spuren von Lasereinschüssen an der Ladeflanke. Jetzt war klar, warum das Ding durch den Orbit eierte wie eine volltrunkene Möwe.
Das war gar kein Angreifer, das war die Beute.
Sie scannte ein weiteres Mal den Himmel ab. Eine konklavische Grenzpatrouille konnte ihre elektronische Signatur vermutlich orten. Dann würde sie einiges zu erklären haben. Und ganz zweifellos einen Batzen hinblättern müssen, den sie nicht hatte. Aber der
Weitere Kostenlose Bücher