Der menschliche Makel
ihre Versklavung, ihre Unterwerfung unter seine wütende Verachtung (und im übertragenen Sinn auch die Versklavung und Unterwerfung der gesamten College-Gemeinschaft) in einem einzigen, unauslöschlichen Bild festzuhalten. Wir wissen - wir beginnen zu wissen, während die schrecklichen Ergebnisse der polizeilichen Untersuchung durchsickern -, dass nicht alle Blutergüsse an Faunias gequältem Körper von den Verletzungen stammen, die sie sich bei dem tödlichen Unfall zugezogen hat, so grauenhaft diese auch waren. Der Leichenbeschauer hat Verfärbungen an Oberschenkeln und Gesäß festgestellt, die nicht von diesem Unfall stammen können - Prellungen, die ihr einige Zeit zuvor auf ganz andere Weise beigebracht worden waren, nämlich durch einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand oder einer Faust.
Warum? Das ist ein so kleines Wort, und doch ist es groß genug, um uns um den Verstand zu bringen. Es ist nicht leicht, zu ergründen, was im Kopf eines so pathologisch bösen Menschen wie Faunias Mörder vorging. Im Kern der Begierden, die diesen Mann trieben, herrscht eine undurchdringliche Finsternis, welche für alle, die nicht von Natur aus gewalttätig sind oder rachsüchtige Pläne verfolgen - für diejenigen, die ihren Frieden mit den Beschränkungen gemacht haben, denen die Zivilisation das Rohe, Ungezügelte in uns unterworfen hat -, unerforschlich bleiben wird. Das Herz der menschlichen Finsternis ist unerklärlich. Doch dass dieser Autounfall kein Unfall war, das weiß ich so gewiss, wie ich weiß, dass ich im Schmerz mit allen vereinigt bin, die den Tod von Faunia Farley betrauern, den Tod einer Frau, deren Unterdrückung in den frühesten Tagen ihrer Unschuld begann und bis zum Augenblick ihres Todes währte. Dieser Unfall war kein Unfall, sondern etwas, wonach Coleman Silk sich mit jeder Faser sehnte. Warum? Dieses »Warum« kann und werde ich beantworten: um nicht nur ihrer beider Leben auszulöschen, sondern auch alle Spuren seiner Geschichte als ihr schlimmster Peiniger zu tilgen. Um Faunia daran zu hindern, ihn als das zu entlarven, was er war, hat Coleman Silk sie mitgenommen auf den Grund des Flusses.
Man kann nur spekulieren, wie abscheulich die Verbrechen waren, die er um jeden Preis geheim halten wollte.
Am nächsten Tag wurde Coleman neben seiner Frau in dem ordentlichen Garten eines Friedhofs gegenüber dem ebenen grünen Meer des College-Sportplatzes beigesetzt, am Fuß des Eichenhains hinter der North Hall und ihrem weithin sichtbaren sechseckigen Uhrenturm. In der Nacht vor der Beerdigung konnte ich nicht schlafen, und als ich morgens aufstand, war ich noch immer so erregt darüber, wie die Umstände und Hintergründe des Unfalls systematisch verzerrt dargestellt und der Welt präsentiert wurden, dass ich nicht einmal lange genug still sitzen konnte, um meinen Kaffee zu trinken. Wie kann man all diese Lügen nur widerlegen? In einem Ort wie Athena bleibt selbst eine nachweisliche Lüge, wenn sie erst einmal publik gemacht worden ist, im Bewusstsein. Anstatt rastlos im Haus auf und ab zu gehen, bis es soweit war, zum Friedhof zu fahren, zog ich mir ein Jackett und eine Krawatte an und fuhr zur Town Street, um dort zu warten - an einem Ort, wo ich mich der Illusion hingeben konnte, ich könnte meine Empörung überwinden.
Und meinen Schock. Ich war nicht darauf vorbereitet, an ihn als einen Toten zu denken, geschweige denn an seiner Beerdigung teilzunehmen. Abgesehen von allem anderen hatte die Tatsache, dass ein kräftiger, gesunder Mann von über Siebzig bei einem außergewöhnlichen Unfall ums Leben gekommen war, etwas schrecklich Bitteres - es wäre einsichtiger gewesen, wenn er an einem Herzschlag, an Krebs oder an einem Schlaganfall gestorben wäre. Außerdem war ich inzwischen - nein, eigentlich, seit ich die Nachricht gehört hatte - davon überzeugt, dass dieser Unfall nur hatte geschehen können, weil Les Farley und sein Pick-up irgendwo in der Nähe gewesen waren. Natürlich ist nichts, was irgendjemandem widerfährt, so sinnlos, dass es nicht hätte passieren dürfen, doch wenn man annahm, Farley sei beteiligt, ja der eigentliche Verursacher gewesen, hatte man dann nicht mehr als den bloßen Ansatz einer Erklärung dafür, dass Farley verhasste Exfrau und ihr widerwärtiger, von Farley zwanghaft belauerter Liebhaber in einer einzigen, hochwillkommenen Katastrophe gewaltsam ausgelöscht worden waren?
In meinen Augen war dieser Schluss ganz und gar nicht durch eine Abneigung
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