Der Mitternachtsdetektiv: Unter Wölfen (German Edition)
wiederholte die Wö l fin und verlieh ihren Worten knurrend Nachdruck.
Der jüngere Wolf namens Jonas legte die Ohren an. »’tschuldigung«, knurrte er ohne große Reue.
Ich erlaubte mir, aufzuatmen – und zuckte innerlich und äußerlich zusammen, als die Prätorius mir wieder ihr monströses Haupt zuwandte.
»Vergeben Sie ihm«, sagte sie. »Er ist das jüngste Mi t glied meines Rudels und noch nicht lange ein Geschöpf der Nacht.«
»Ist schon okay«, versicherte ich ihr hastig. Den Dolch behielt ich jedoch in der Hand, auch wenn er ihr w e sentlich weniger Respekt einzuflößen schien als dem Jungwolf. »Vielleicht sollte ich noch mal von vorne a n fangen: Mein Name ist Kai Hellmann. Ich bin Priva t detektiv.«
Die Wölfin nickte. »Ja. Man hört viel von Ihnen auf den nächtlichen Straßen, Herr Hellmann. Wahrschei n lich mehr, als Ihnen lieb sein dürfte.« Der wissende Unterton in ihrer Stimme gefiel mir gar nicht.
Ich täuschte Lockerheit vor. »Wie heißt es doch so schön? Es gibt keine schlechte Publicity.«
»Und womit können wir Ihnen helfen?«, fragte sie, den pelzigen Kopf schräg gelegt.
Ich hielt es für das Beste, keine weiteren Umschweife zu machen. »Wo waren Sie in der Nacht des zwanzi g sten November?«
Sie zeigte abermals ein vermeintliches Lächeln voller gelber Fangzähne. »Das kann ich Ihnen sagen: Ich war hier im Garten, auf der Jagd. Zusammen mit dem Rest meines Rudels. Warum fragen Sie?«
»Weil in dieser Nacht Vadim Zagan ermordet wu r de.« Ich fand den Mut, ihrem Blick stand zu halten.
»Ich verstehe«, sagte Elisa Prätorius ungerührt. Der Jungwolf dagegen bleckte grinsend sein Mördergebiss.
»Sie sind nicht überrascht«, erkannte ich.
»Sollte ich das?«, fragte die Prätorius. »Zagan hat alles getan, um sich bei unseresgleichen verhasst zu m a chen.«
Jonas der Wolf spuckte aus. »Der Arsch war ’n ve r fluchter Scheißnazi!«
»Jonas«, mahnte die alte Wölfin. »Mäßige dich!«
Er zuckte zusammen und blickte betreten drein. »Sorry ...«
Ich sah die Prätorius an. »Man sagte mir, Sie wären beide politisch engagiert. Und Konkurrenten. Ich meine ... gewesen.«
Elisa Prätorius nickte langsam. »Allerdings.« Ihre Pranke deutete zur Villa. »Aber lassen Sie uns doch ins Haus gehen. Ich bin sicher, dass Sie es dort viel gemü t licher finden werden.«
6
Sie bat mich, in einem beheizten Wintergarten zu wa r ten, also wartete ich. Ich setzte mich in einen von vier Korbsesseln, den Fedora im Schoß. Langsam tauten meine Füße wieder auf, und der Rest meiner Panik ve r flüchtigte sich. Doch trotz des beruhigenden Grüns um mich herum wich meine Anspannung nicht völlig. Den Dolch hatte ich wieder in die Tasche gesteckt, jedoch so, dass der Griff einsatzbereit herauslugte.
Ist doch ganz gut gelaufen , dachte ich. Immerhin lebst du noch.
Das Licht im Wintergarten war gedämpft, sodass ich durch das Fensterglas große Schatten zwischen den kahlen Bäumen umherhuschen sah. Der Rest des R u dels? Wie viele mochten es sein – zehn, zwanzig? Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper, als einer von ihnen ein langgezogenes Heulen Richtung Mond au s stieß.
»Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten.«
Eine alte Dame trat zu mir. Sie trug ein braunes Baumwollkleid und Pantoffeln an den nackten Füßen. Der Wolf hatte wieder den Schafspelz angelegt und setzte sich mir gegenüber. Elisa Prätorius war eine würdevolle Frau, mit der Aura der geborenen Matriarchin. Ein lebe n diges, weises Funkeln lag in ihren grünen Augen. »Kann ich Ihnen einen Tee anbieten, Herr Hel l mann?«
»Nein, danke.« Tatsächlich hätte ich alles für etwas Flüssiges gegeben, staubtrocken wie meine Kehle war. Aber ich wollte die Gastfreundschaft dieser Leute nicht allzu weit ausreizen. »Beeindruckendes Anwesen h a ben Sie hier«, sagte ich, in der Konversationskunst mit Ung e heuern noch immer nicht ganz firm.
»Vielen Dank«, sagte Elisa Prätorius. Sie hatte die Hände auf die Armlehnen des Korbsessels gelegt. Ich sah knotige Adern und Sprenkel von Leberflecken. Ihre Fingernägel waren kurz und gepflegt. Keine Spur von den Klauen, vor denen ich eben noch gezittert hatte. »Das Erbe meiner Familie ermöglicht es mir, hier in a l ler Ruhe und unter falschem Namen zu leben. Dieses Haus ist eine Zuflucht für mein gesamtes Rudel. Darf ich fragen, wie Sie hierher gefunden haben? Wir legen viel Wert auf Privatsphäre.«
Ich witterte eine Fangfrage. »Ich hab’
Weitere Kostenlose Bücher