Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
sich so, dass wir hier in Deutschland wohl sehr anständige und treffende Übersetzungen aus dem Englischen haben – begonnen bei den Werken Ihres Nationaldichters Wilhelm Shakespeare, die ...“
Lewis vermied es, die Hand wie ein Schulkind zu erheben oder gar aufzustehen, und dennoch gab er seiner Stimme einen artigen Klang, als er ungefragt den Satz beendete: „... derer sich der große Wieland so meisterlich annahm ...“
Böttiger war verblüfft. Diese Miene schien etwas Vertrautes zu haben, denn Eleonore lachte kurz und leise auf, ehe sie die Hand auf die Lippen legte und sich rasch ihrem Sprössling zuwandte, der seine Kreise um Lewis langsam aber stetig enger gezogen hatte. Sie nahm ihn auf, lächelte Lewis zu, schenkte ihrem Mann ebenfalls ein Lächeln, das jedoch gänzlich anders geartet war und verließ mit einer kurzen Bemerkung über den kleinen Karl den Raum.
Böttiger fing sich schnell. Lobend nickte er. „In der Tat! Ich sage Ihnen also nichts Neues. Nun, leider verhält es sich im umgekehrten Falle gänzlich anders. Leider, leider benutzen die englischen Übersetzer allzu oft nicht die deutschen Originaltexte, sondern geben sich mit der Zwischenstufe französischer Übersetzungen zufrieden. Dass darunter die Qualität, ja der Sinn leidet, versteht sich von selbst!“ Er trat einen Schritt an Lewis heran und senkte die Stimme ein wenig. „Bedenken Sie: eine romanische Sprache als Mittelweg zwischen zweien gemeinsamer germanische r Abkunft – das kann doch zu keinem Erfolg führen!“
Lewis entsann sich der Szene auf der Gasse vor dem Haus und beschloss, nichts zu erwidern, sondern zu nicken. Dann, um die Stille zu überbrücken, nahm er einen Schluck Wein, was Böttiger genauestens verfolgte. Als das Glas wieder auf dem Tisch stand, fand Böttiger wieder zu seiner Rede.
„Auf jeden Fall sähe ich es als fruchtbar an, wenn ich Sie mit diesen Herren bekannt machte. Ich selbst habe ihrer aller Gesellschaft im vergangenen Jahr sehr zu schätzen gewusst – und auch so manches niedergeschrieben, was ich an literarischen Zuständen und Zeitgenossen erfahren habe.“ Er schien in sich hineinzuhorchen, war offenkundig zufrieden mit dem, was er da vernahm, und schaute dann zu Lewis.
Der wartete auf eine weitere Verkündung, und als diese nicht kam, sagte er: „Mein guter Herr Böttiger, ich bin sehr geschmeichelt von den Erwartungen, die Sie in mich hineinstecken. Mit Freude will ich versuchen, diesen gerecht zu werden. Es wird mir eine Ehre sein, die literarische Gesellschaft hier in Weimar kennenzulernen.“
Böttiger hörte dies gern und trumpfte auf: „Natürlich werden Sie auch bei Hofe Ihre Aufwartung machen und all die anderen wichtigen Persönlichkeiten kennenlernen, mit denen ich auch bekannt bin. Sie werden grandiose Abende verleben, die sicher die in Paris in den Schatten stellen werden.“
Lewis atmete scharf ein. Nicht, weil Böttiger erneut einen antifranzösischen Streich zu führen schien, nein, vielmehr weil er sich nun allzu gut an Paris und seinen in der Kutsche geleisteten Eid erinnerte. Er stieß die Luft wieder aus und wollte etwas entgegnen, als Frau Böttiger ins Zimmer trat.
„Wie kannst du nur! Du redest immer noch auf den jungen Herrn Louis ein, der staubig, hungrig und erschöpft von der langen Reise dasitzt und kaum zu Wort kommt!“
Lewis schloss den Mund, Eleonore Böttiger nicht.
„Er wird sich jetzt erst einmal ausruhen, sich säubern, und dann werden wir eine begrüßende und stärkende Mahlzeit einnehmen.“ Sie strahlte Lewis an und verschwand wieder.
Böttiger deutete ihr nach. „Nehmen Sie es ihr nicht übel, dass sie unser Gespräch unterbrach. Sie ist einfach zu mütterlich. Und Sie scheinen es ihr besonders angetan zu haben.“
Lewis legte die schmalen Hände auf den Tisch und verzog keine Miene.
Einige Zeit später saßen die Eheleute Böttiger und der junge Matthew Lewis zu Tisch, verspeisten Zunge und Gartengemüse, und zwischen den Schüsseln stand auch eine Bouteille Rheinwein. Lewis aß mit gutem Appetit, krümelte wenig mit dem Brot und sprach dem Wein angemessen zu. Derweil hatte er auf Wunsch von Eleonore Böttiger begonnen, von seiner Reise zu erzählen. Im Verlauf dieses Berichts hatte er sich immer besser in die noch etwas fremde Sprache eingefunden, was möglicherweise auch am fremden Wein gelegen haben mochte. Er musste sich eingestehen, dass ihn seine Beredtheit und Ausdrucksfähigkeit selbst überraschte, und so war es ihm
Weitere Kostenlose Bücher