Der Mörder aus dem Schauerwald
Armen. Röder haßte mich vom ersten Tag an. Er bildete sich
ein, ich sei hinter seiner Frau her. Eine gewisse Christine. Recht nett und
lieb, leidlich hübsch. Aber — du meine Güte! — ich habe sie freundlich gegrüßt,
sonst war nichts. Nie im Leben wäre mir der Gedanke gekommen... also, Röder war
irgendwie plemplem. Wahrscheinlich ist er es noch. Und das auf eine gefährliche
Weise. Seine Eifersucht muß krankhaft sein. Er fing an, mich zu schikanieren,
warf mir seinen Abfall in den Garten, schnitt Zweige ab, die über seinen Zaun
hineinragten. Es mußte dazu kommen: Wir gerieten aneinander. Leider bin ich
ziemlich jähzornig. Hatte früher schon Ärger deshalb. Um ehrlich zu sein: Mit
18 Jahren und dann noch mal mit 27 Jahren wurde ich bestraft wegen
Körperverletzung. Als Röder mir eines Tages besonders dumm kam, habe ich ihm
eine gelangt, daß er umkippte.“
„Aha!“ sagte Klößchen.
Gaby stieß ihn mit dem Ellbogen vors Schienbein.
Das war ohne Verrenkung möglich, denn sie hockte, er stand.
„Aber das ist nicht der Mordversuch,
den man Ihnen anlastet“, sagte Tim.
„Nein, das nicht. Röder hat auch nichts
unternommen — wegen der Tätlichkeit. Doch es gab zwei Anwohner, die unseren
Streit mitbekamen. Die sind dann später als Zeugen aufgetreten. Die eigentliche
Geschichte, die zu meinem Unglück führt, beginnt später.“
Wieder brauchte er einen Moment, um
Kraft und Gedanken zu sammeln.
Tim sah auf die Uhr.
Höchstens noch zehn Minuten, entschied
er. Dann müssen wir ihn hier wegbringen. Sonst ist die Lungenentzündung fällig.
„Es ist passiert am 9. September vor
fünf Jahren“, berichtete Flühter mit stockender Stimme. „Krake Röder befand
sich auf Geschäftsreise. Er ist Vertreter für — irgendwas. Suppenwürfel, glaube
ich. Jedenfalls war er — nachweislich, wie es vor Gericht hieß — 300 Kilometer
weit weg. Spätabends kam er heim. Die Hintertür seines Hauses stand offen. Er
fand seine Frau im Terrassenzimmer. Sie lag dort auf dem Teppich, war unfähig,
sich zu rühren — lag dort seit Mittag. Irgendwer war durch die Terrassentür — die
zum Lüften offenstand — eingedrungen, hatte Christine Röder hinterrücks
gepackt, gewürgt, geschlagen. Sie war schwerverletzt. Gesehen hat sie den Täter
nicht. Offenbar war sie auch längere Zeit bewußtlos. Der Täter hat Geld und
Schmuck geraubt. Vor Gericht wertete man das als Ablenkungsmanöver. Denn für
Krake Röder war sofort alles klar. Nur ich konnte der Täter sein. Ich hätte
versucht, mich seiner Frau zu nähern. Und jetzt kommt das, was dann zu meiner
Verurteilung führte: Auf dem Teppich neben der bedauernswerten Frau fand Röder
mein Messer.“
„Was für eins?“ fragte Tim.
„Ein Klappmesser.“
„Es gehörte wirklich Ihnen?“
„Ja.“
„Klappmesser gibt es viele.“
„Stimmt. Es hatte eine neun Zentimeter
lange feststellbare Klinge aus rostfreiem Stahl und Palisanderholz-Schalen am
Griff. Auf einer Schale hatte ich meine Anfangsbuchstaben eingeritzt.“
„Hah und Eff“, rief Klößchen — und
freute sich, daß er recht hatte.
„Außerdem“, sagte Flühter, „waren meine
Fingerabdrücke auf dem Messer.“
„Es ist Ihnen aus der Tasche gefallen“,
sagte Tim, „als Sie Christine Röder würgten und schlugen.“
„Ich habe sie weder gewürgt noch
geschlagen. Ich war niemals in Röders Haus.“
„Wie kam dann das Messer dorthin?“
„Ich kann nur mutmaßen. Ich hatte es
seit Wochen nicht in der Hand gehabt. Soweit ich mich erinnerte, wurde es das
letzte Mal benutzt, als ich im Garten einen Zweig abschnitt. Anfang August muß
das gewesen sein. Vielleicht habe ich das Messer liegengelassen oder verloren.
Krake Röder nahm es an sich, heimlich. Und nun hatte er die ersehnte
Gelegenheit, es gegen mich einzusetzen.“
Eine Weile herrschte Stille.
Vielleicht sagt er die Wahrheit, dachte
Tim. Vielleicht lügt er. Alles ist drin.
„Wo waren Sie an diesem 9. September?“
fragte er.
Flühter stöhnte. „Ich darf nicht daran
denken, wie sich das Schicksal manchmal gegen einen verschwört.“
„Nämlich?“
„Ich wollte an dem Tag nach
Südfrankreich fahren, wollte den Pächter meines Lokals aufsuchen. Ich bin früh
aufgebrochen. Gegen sieben Uhr. Unterwegs — ich hatte schon fast den
Schwarzwald erreicht — ging mir plötzlich die Lust aus. Ich bin umgekehrt.
Spätnachmittags war ich wieder zu Hause. Aber es ging mit dem Teufel zu.
Niemand in der Straße sah, wie ich abfuhr,
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