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Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry

Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry

Titel: Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Mit der freien Hand holte er ein Tuch aus der Tasche und begann seine Züge abzutupfen. Er war hochrot geworden. Sein Atem kam rasch und keuchend. „Bist du noch immer betrunken?" fragte er wütend und öffnete die Augen. „Was, zum Teufel, soll dieser Unsinn?"
    Julia verschränkte die Arme vor der Brust und stellte einen Fuß vor den anderen.
    Sie lächelte dünn. „Du wolltest mich ermorden, nicht wahr?"
    Er blinzelte. Der Alkohol brannte noch immer in seinen Augen. „Hast du den Verstand verloren?" fragte er.
    „Vorhin schien es mir so. Als du mich unbarmherzig würgtest, glaubte ich, nicht nur den Verstand, sondern auch das Leben zu verlieren."
    Jonathan Carter stellte das Glas hart auf die Platte des niedrigen Clubtisches. „Der Menschheit wäre kein großer Verlust entstanden", erklärte er.
    „Du gibst es also zu?"
    „Was sollte ich zugeben? Das ich dich ermorden wollte? Unsinn! Ich habe noch nie etwas ähnlich Abwegiges und Dummes gehört. Du bist betrunken!"
    Julia setzte sich wieder. „Jemand war oben in meinem Zimmer. Ich erwachte, als ich den eisernen Griff zweier Hände an meinem Hals spürte. Ich wollte schreien, aber ich konnte nicht. Ich fühlte, wie mich die Kräfte verließen und wurde ohnmächtig."
    „Sag mal, hast du geträumt?"
    Sie blickte ihn an. „Betrachte meinen Hals!" forderte sie. „Siehst du die Würgespuren?"
    „Der Hals ist auffallend rot", gab Carter zu. „Aber nimm doch endlich einmal Vernunft an! Wer hätte denn einen Grund gehabt, dich zu …"
    Sie unterbrach ihn hart. „Du!"
    „Das ist absurd, einfach absurd!"
    „Ich beging einen Fehler, als ich dich wegen der kleinen Monika erpressen wollte", sagte Julia. „Das hast du mir nicht vergessen. Du hast außerdem Angst, daß ich mich eines Tages in der Trunkenheit verplappern könnte — darum hast du beschlossen, daß ich sterben muß."
    Carter faßte sich mit beiden Händen an den Kopf. „Bin ich denn hier in einem Irrenhaus? Mein Kind, ich fürchte, du bist übergeschnappt!"
    „Wer sonst hätte mich würgen sollen?"
    Carter holte tief Luft. „Ich hasse dich, ich gebe es zu. Das war nicht immer so. Aber jetzt kann ich dich nur noch verachten. Ich behandelte dich immer wie meine eigene Tochter, du konntest von mir alles haben — aber du warst mit dem, was ich dir gab, nicht zufrieden. Du mußtest mich erpressen, du wolltest in deiner grenzenlosen Habgier mehr und immer mehr! Wirklich, ich wäre nicht traurig, wenn dich der Unbekannte getötet hätte."
    „Der große Unbekannte!" spottete Julia. „Gib doch zu, daß du ihn gut kennst. Wahrscheinlich hast du ihn für diese schmutzige Arbeit verpflichtet!"
    „Du bist doch ziemlich weltfremd, mein Kind. Wir leben in England. Wie sollte es mir, dem geachteten und bekannten Jonathan Carter, möglich sein, einen Mörder zu dingen? Bleiben wir bei deiner ersten boshaften Unterstellung. Wenn es meine Absicht gewesen wäre, dich zu töten, hätte ich das ohne Zweifel sehr gründlich besorgt, mein Kind. Jonathan Carter kennt keine Halbheiten. Das lasse dir bitte gesagt sein."
    Julia betrachtete den Onkel, und zum erstenmal machten sich in ihrem Blick Zweifel bemerkbar.
    Carter fragte sie: „Wenn du überzeugt warst, daß ich dich erwürgen wollte, verstehe ich nicht die völlig unangebrachte Zurückhaltung, die du eben im Beisein der Polizei zeigtest. Du hättest mich doch des Mordes beschuldigen können — zumindestens des Mordversuches!"
    „Ich wollte die Polizisten rasch loswerden", erwiderte Julia. „Was hätte ich davon, wenn sie dich verhaften und ins Zuchthaus werfen? Gar nichts! Ich brauche einen Onkel, der in Freiheit lebt, einen Onkel, der mich laufend mit dem Geld versorgt, ohne das ich nicht zu leben vermag."
    „Nun höre mal gut zu, mein Täubchen. Du wirst nichts mehr von mir bekommen. Nicht einen Schilling. Vielleicht kannst du den Mann erpressen, der dich tatsächlich töten wollte. Ich habe seine Sachen draußen entdeckt und sichergestellt. Einen Schirm, Galoschen, einen Regenmantel, ein Paar Schuhe. Schau dir die Klamotten an. Vielleicht kennst du sie. Ich dachte, es könnte nicht schaden, sie aufzubewahren. Man kann nie wissen, wofür man so etwas braucht."
    „Warum hast du die Sachen nicht der Polizei übergeben?"
    „Mein Handeln entsprang im Grunde genommen den gleichen Quellen wie deine Reaktion. Ich wollte meinen persönlichen Vorteil wahren. Du weißt, daß ich in die Politik gehen möchte. Jede Art von Untersuchung, die in mein Privatleben

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