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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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herab und schwemmte seine Last aus Zweigen und anderen Abfällen mit sich. Das Wasser mischte sich mit der ohnehin anschwellenden Brühe des Abwasserkanals in einem brodelnden, rauschenden Strudel, in dem Abfälle wirbelten.
    Eine zerbrechlich wirkende Seilbrücke mit Planken überspannte den Mahlstrom. Sie war der einzige Weg hinüber. In dem flackernden Licht der Fackeln konnte Bartellus sehen, dass das Wasser rund um die Brücke bereits schäumte und der Mittelteil unter Wasser stand. Trotzdem arbeitete sich der erste Mann bereits hinüber, hielt sich an den Seilen fest, zog sich weiter, während er von dem rauschenden Wasser fast mitgerissen wurde. Die anderen machten sich bereit, ihm zu folgen.
    Als Elija ankam, schob Malvenny den Jungen auf die Brücke und nahm seine Fackel. » Lauf, Junge!«, schrie er. Elija blickte zu seiner Schwester zurück und zögerte. Ein anderer Mann schob sich vor ihn und sprang auf die Brücke, während er seine Fackel wegwarf. Anny-Mae stieß den Jungen auf die Brücke und folgte ihm, stieß ihn immer wieder in den Rücken. Elija warf noch einen Blick auf seine Schwester, packte dann die Seile, die bereits vom Wasser bedeckt waren, und zog sich auf die andere Seite.
    Malvenny hielt die letzte Fackel in der Hand und schrie Bartellus ins Ohr. » Die Taue können jeden Moment reißen! Wenn das passiert halt dich am Seil fest oder am Holz. Lass auf keinen Fall los!«
    Bartellus trat auf die Brücke, die sich wie ein wild gewordenes Kavalleriepferd unter ihm aufbäumte. Er fühlte, wie das kleine Mädchen die Arme um seinen Hals schlang und sich anklammerte, und packte die Taue mit beiden Händen. Dann wurde er unter das rauschende Wasser gedrückt. Einen Moment lang schien er nichts mehr zu fühlen. Er konnte weder atmen noch wusste er, wo oben oder unten war. Er hatte keinen Halt mehr unter seinen Füßen, spürte nicht einmal mehr den Körper des Mädchens an seiner Brust, sondern nur noch die rauen Taue unter seinen Händen.
    Dann gab die Brücke nach, und er fühlte, wie er in die Dunkelheit geschleudert wurde, ein Stück Treibgut in dem reißenden Strom. Er hielt sich an dem Seil und den Planken fest, kniff die Augen zusammen und betete für das Leben des kleinen Mädchens.
    In seinen Träumen fand er sich häufig in einem fruchtbaren grünen Tal wieder. Am fernen Horizont waren die Gipfel der Berge mit funkelndem Schnee bedeckt. Er kniete im dichten, nassen Gras, auf dessen Halmen sich Tautropfen sammelten, und strich mit den Händen über die kühlen Pflanzen. Dann hob er die feuchten Hände zum Gesicht und wischte damit den Schweiß, das Blut und den Schmerz weg. Anschließend stand er auf und sah sich um. Niemand war zu sehen, keine Tiere, keine Lebewesen. Die Luft war frisch, als wäre sie noch nie benutzt worden. Er fragte sich, ob dies die Morgendämmerung der Welt war.
    Er hatte einmal einen Wahrsager nach der Bedeutung dieses Traumes gefragt. Der runzlige alte Mann, der die zierliche Gestalt eines Kindes hatte, hatte sich mit seinem Zelt an die Nachhut einer Armee gehängt, die darauf wartete, in die Schlacht zu ziehen. Allerdings konnte sich Bartellus nicht mehr erinnern, welche Armee oder welche Schlacht das gewesen war. Der Mann jedenfalls machte ausgezeichnete Geschäfte, nachts, wenn die furchtsamen Soldaten bei ihm Trost suchten, bevor sie sich dem neuen Tag stellten.
    » Das Tal ist der Ort, wo du geboren wurdest, General«, hatte der alte Mann gesagt und ihn angelächelt. Seine Zähne waren verfault. » Die Bedeutung ist klar. Grün bedeutet Fruchtbarkeit, und das Tal bedeutet eine Frau. Deine Geburt ist von den Göttern gesegnet worden. Du wirst lange leben, wirst viele Söhne haben und in das Tal zurückkehren, bevor du stirbst.« Dann sah er über Bartellus’ Schulter hinweg und schielte bereits gierig auf die Münze des nächsten Kunden.
    Aber der General blieb sitzen und runzelte die Stirn. » Deine Worte sind mir nicht klar, Alter«, sagte er. » Ist das Tal meine Mutter, oder ist es der Ort, wo ich geboren wurde?«
    » Beides«, erwiderte der alte Mann gewandt. » Das grüne Tal …«
    » Denn«, schnitt ihm Bartellus das Wort ab, » ich wurde auf der trostlosen Ebene von Garan-Tse geboren, und zwar mitten in der Dritten Schlacht von Vorago. Die Schreie meiner Mutter haben sich mit den Schreien von sterbenden Männern gemischt, und wohin man sich auch wendete, war nur Blut und Schlamm.«
    Der alte Mann sah ihn verärgert an. » Es ist nur ein sinnbildliches

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