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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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heute ungerecht, weil ich immer diese scheußlichen Würmer vor mir sehe und mir überlege, wie man sie kaputtmachen könnte. Haben Sie eine Ahnung?«

2. Kapitel
    Der Praktikant Bachmann hatte sich über die Vernichtung des nordamerikanischen Kiefernschädlings bereits Gedanken gemacht. »Wahrscheinlich wird man ihm nur mit einem Kontaktgift beikommen können. Doch dazu muss man wissen, wo diese Viecher ihre schwache Stelle haben.«
    »Sehr gut«, sagte Horstmann. Ocker und ich haben dieselbe Idee.«
    Bachmann errötete und sagte eifrig: »Es ist so, wie der Chef sagt: Wer zuerst das Mittel findet, macht das Geschäft.«
    »Sicher«, sagte Horstmann. »Sie sind wohl Kapitalist, was?«
    »Nein«, sagte Bachmann, »eher überzeugter Sozialist.«
    »Horstmann ist Kapitalist«, sagte Ocker warnend.
    »Lass ihn doch«, sagte Horstmann und stieß seine Gabel in die Bratwurst, die mit einem feinen, intensiven Fettstrahl einen großen Fleck auf seine Krawatte spritzte.
    Horstmann wusste, dass diese jungen Leute ein ebenso großes Gewirr in ihren Hirnen und Seelen mit sich herumtrugen wie er selbst. Er nahm die Krawatte ab und steckte sie in die Tasche seines Jacketts. »Wir wissen doch allesamt nicht, wohin. Wir sind doch alle ein bisschen ratlos. Du mit deiner verdammten Lebenstüchtigkeit und ständig die überdimensionalen Titten einer monströsen Nutte vor den Augen, und der Kleine da mit seiner Ansicht über den Sozialismus. Wer hilft denn da schon? Ich komme mit meinen – wie sagt man so schön – monopolkapitalistischen Ideen nicht viel weiter. Nur die Politiker, so welche wie Henrichs, die wissen immer, was sie wollen, und die wissen sogar, wie die Welt aussieht. Die furzen sogar im Rhythmus ihrer eigenen Phrasen.«
    »Wer ist denn Henrichs?«, fragte Ocker.
    »Henrichs«, Horstmann lächelte, »Henrichs ist der Vorstand er hiesigen Christlichen. Ich war neulich abends auf einem Spaziergang, als ich an einer Kneipe vorbeikam. Da stand im Tanzsaal dieser Mann und sprach von einer hoffnungsvollen Zukunft mit seiner Partei. Dabei gab er sich so freudig ruhig, als habe er vorher drei Pfund Sedative gefressen. Aber Henrichs ist klasse. Er hat durch sein Gerede immerhin drei Aufsichtsratsposten bekommen. Jetzt braucht er nur noch neue Redewendungen für seine Sorte Dogma zu finden. Zu arbeiten braucht er nicht mehr. Vielleicht bekommt er im nächsten Jahr ein Fertighaus geschenkt und behauptet, er hätte es mit einer Bausparkasse mühsam aus dem Boden gestampft. Aus diesem Grunde neige ich mehr zum Kapitalismus. Es ist immer besser, ein bisschen zu bescheißen und in wirtschaftlich guten Verhältnissen zu leben, als nach der Wahrheit zu suchen und dabei gestopfte Strümpfe zu tragen.«
    »Das klingt verbittert«, sagte Bachmann.
    »Na wenn schon«, sagte Horstmann. »Jeder muss halt seine depressive Periode haben.«
    Nach exakt einer halben Stunde war die Kantine leer bis auf die Wissenschaftler der Forschungsabteilung. Sie genossen als einzige Gruppe des Betriebes das Recht, so lange in der Kantine zu sitzen, wie sie wollten. «Bei Ihnen, meine Herren«, hatte der Chef nicht ohne Bewunderung und Lob gesagt, »ist die schöpferische Pause wichtiger als eine streng geregelte Arbeitszeit. Sie können zehn Tage lang nichts tun, um in einer einzigen Sekunde die richtige Lösung zu finden. Und für diese eine Sekunde werden Sie bezahlt.«
    »Ich höre für heute auf«, sagte Horstmann. »Ich gehe nach Hause. Ich brate mir so ein paar Würmchen.«
    »Ich ruf’ dich an«, sagte Ocker. »Von wegen Canasta.« Er war neidisch auf Horstmann, weil der es sich erlaubte, nach Hause zu gehen, um irgendwelche Probleme in aller Stille zu erledigen. Der Chef hatte Horstmann als einzigem schweigend dieses Recht eingeräumt, denn Horstmann war meistens mit erstaunlich guten Ergebnissen wiedergekommen.
    Horstmann war für den Chef ein weltfremdes Genie. Der Chef wusste nichts von Horstmanns Träumen, die exakt so vulgär waren wie die Pornographie aus Dänemark, und voller Habgier wie die Kauffahrteischiffe früherer Jahrhunderte. Und er wusste auch nicht, dass Horstmann alle diese Träume zu realisieren gedachte. Horstmann wollte Horstmann sein, kein Stück Vieh mit einer Nummer auf der Hinterkeule. Und er hatte den vagen Verdacht, bereits nichts als eine Nummer zu sein.
    Er ging in sein Labor zurück und rief im Vorzimmer des Chefs an. Er sagte: »Bestellen Sie bitte dem Chef, ich sei nach Hause gegangen. Ich nehme die Würmer mit. Ich

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