Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
ummauerte Bereich an der Erdoberfläche war das Industriegebiet einer ausgedehnten unterirdischen Kleinstadt. Diese füllte ein zusammenhängendes Gebiet von Lichthöhlen von einem Ausmaß aus, wie Verena es nie zuvor gesehen hatte. An der Oberfläche waren Schmieden, Gerbereien, Köhler und so weiter: alles was stank und viel Rauch und Feuer erzeugte. Die tiefsten Schächte reichten bis zu einer mineralfreien Grundwasserschicht herab. So konnte sich eine Einwohnerschaft halten, die zur Hälfte aus ´Roten´, zu Hälfte aus ´Farblosen´ bestand.
Bevor wir von dieser faszinierenden Stadt namens Valfian mehr erzählen, ist es notwendig, auf eine sprachliche Tücke in der letzten Aussage aufmerksam zu machen. Auf der Erde wären die Menschen, die hier als ´Farblos´ tituliert wurden nämlich eher ´Farbige´ genannt worden, da ihre Hautfarbe ein dunkles Braun war. Wir haben es also nicht mit einer Stadt zu tun, die halb voll mit Blassnasen ist. Der Begriff ist nur im Zusammenhang mit der knallroten Haut der anderen hier vertretenen ´Menschenart´ zu verstehen.
Die ´Farblosen´ und die ´Roten´ lebten nicht nur gleichberechtigt nebeneinander, sie bildeten auch eine einheitliche Bevölkerung ohne kulturelle Unterschiede oder Berührungsängste. Dass es keine Mischlinge zwischen den beiden Arten gibt, liegt hauptsächlich daran, dass die Biologie das einfach nicht zulässt. Andererseits fehlten, das soll hier der Vollständigkeit halber auch erwähnt werden, sexuelle Beziehungen zwischen ´Roten´ und ´Farblosen´ fast ganz, da sich die Bedürfnisse und Vorlieben der Arten in dieser Hinsicht stark unterschieden.
Die nächste Überraschung für Verena bestand darin, dass die ganze Stadt ursprünglich als Waldläufergildenhaus gegründet worden war. Daher war sie noch heute Eigentum der regionalen Gilde. Nirgendwo sonst war Verena so vielen Waldläufern auf einem Fleck begegnet. Nirgendwo sonst gab es ein so umfangreiches und altes Bibliothekswesen.
Obgleich Verena so weit von ihrer Heimatregion entfernt war wie sonst nur in ihrer Zeit im kochend heißen Äquatorialdschungel, war ihr Name hier praktisch jedem bestens bekannt. Ihre Ankunft war sofort Anlass ein regelrechtes Volksfest zu veranstalten, in dessen Mittelpunkt sie stand. Da die anderen Feiernden zu einem guten Teil selbst Waldläufer waren, kam Verena sich auch nicht fremd vor. So viele gute und ergiebige Unterhaltungen hatte sie nie zuvor in ihrem Leben in so kurzer Zeit geführt. Doch wie die Stunden verstrichen, wurde das Fest ausgelassener. Immerhin wurden die meisten teuren Rauschmittel von Waldläufern gesammelt.
Caaiulat. Ein absonderlicher Name. Ich hätte nie gedacht, mich an einem einzigen Abend so Hals über Kopf verlieben zu können. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich in jemanden mit so einem komischen Namen verlieben könnte. Es waren genug Waldläufer anwesend, warum musste ich mir ausgerechnet jemanden Aussuchen, der Kürschnerei betreibt. Außerdem waren genug Männer anwesend. Warum musste ich mir dann also eine Frau aussuchen, um nach einer Party neben ihr aufzuwachen und glücklich vor mich hin zu grinsen? Auf der Erde hätte ich mich niemals auf so was eingelassen, selbst wenn ich sicher gewusst hätte, dass ich auch auf Frauen stehe. Hier und heute würde ich sogar ignorieren, wenn die Leute mich dafür verurteilen würden. Gerade deswegen bin ich mir sicher, dass ich nie zuvor in dieser Weise an eine Frau gedacht habe. Immerhin haben wir mehr gemacht als nur rum zu knutschen. Dabei hätte ich gedacht, dass mir schon das eklig vorkommen würde. Ist es aber nicht.
Damit haben wir, neben den beeindruckenden Bibliotheken, den Hauptgrund kennengelernt, warum Verena für ein ganzes Jahr in der Umgebung der Stadt Valfian blieb. Er heißt Caaiulat, ist weiblich, hübsch und ein so fröhlicher Mensch, dass es einfach ansteckend ist.
Es gab noch einen weiteren Grund: In Valfian existierte eine Art Verein, sozusagen eine Gilde in der Gilde, deren Mitglieder sich einer alten, überlieferten, unbewaffneten Kampfsportart widmeten. Verena hatte in ihrem Leben nur wenige Menschen getroffen, die in der Lage waren, sie ohne Waffen zu besiegen, es sei denn sie musste sich auf bestimmte Techniken wie Judo beschränken. Hier jedoch gab es gleich mehrere solcher Großmeisterinnen und Großmeister, die es mühelos mit ihr aufnehmen konnten und eine hinreichend große Gruppe ebenbürtiger Gegner. Auch der unbewaffnete Kampf gegen Tiere war
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