Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes
unterbrach. Vielleicht war ihm in den Sinn gekommen, dass der Mann schon genug Qualen erlitten hatte. »Es handelt sich um ein sehr gefährliches Gift. Immer tödlich, schleichend wirkend und symptomlos bis zum Ende, aber die Auswirkungen sind gänzlich reversibel, wenn das Gegenmittel rechtzeitig verabreicht wird.«
»Er hat gesagt, Sie wüssten, was zu tun ist.«
»Da bin ich ganz sicher. Sagen Sie mir, wie sind Sie zu der Bekanntschaft mit John Kearns gekommen?«
Die Augen unseres Gastes weiteten sich erstaunt. »Wie können Sie denn bloß seinen Namen wissen?«
»Es gibt nur einen Menschen, den ich kenne – und der mich kennt –, der jemandem einen solch teuflischen Streich spielen würde.«
» Streich? Einen Menschen zu vergiften, ihn auf die Türschwelle des Todes zu schleudern, um ihn ein Paket ausliefern zu lassen – das ist ein Streich für Sie?«
»Genau!«, rief der Doktor und vergaß sich – und was die leidende Seele vor ihm durchgemacht hatte – einen Moment lang. »Das Paket! Will Henry, trage es hinunter ins Kellergeschoss und setze einen Topf für Tee auf! Ich bin sicher, Mr …«
»Kendall. Wymond Kendall.«
»Mr Kendall könnte eine Tasse vertragen, denke ich. Nun mach fix, Will Henry! Ich vermute, wir haben eine lange Nacht vor uns.«
Das Paket, ein in gewöhnliches braunes Papier eingeschlagener Holzkasten, war nicht besonders schwer oder unhandlich. Ich transportierte es schnell ins Laboratorium, legte es auf den Arbeitstisch des Doktors und kehrte nach oben zurück, wo ich die Küche leer vorfand. Ich hörte, wie sich ihre Stimmen im Salon hoben und senkten, während ich den Tee zubereitete und meine Gedanken ein Wirrwarr aus schrecklicher Vorahnung und besorgniserfüllter Erinnerung waren. Es war nicht ganz ein Jahr vergangen seit meiner ersten Begegnung mit dem Mann namens John Kearns – falls das sein Name war. Er schien mehr als einen zu haben. Cory hatte er sich genannt und Schmidt. Es gab noch einen anderen Namen, denjenigen, den er sich im Herbst vergangenen Jahres selbst gegeben hatte, denjenigen, mit dem sich die Geschichte an ihn erinnern würde, denjenigen, der seine wahre Natur am besten beschrieb. Er war kein Monstrumologe wie mein Herr. Es war mir damals nicht klar, was er war, abgesehen von einem Experten in den dunkleren Regionen der Welt der Natur – und für das menschliche Herz.
»Er hatte eine Wohnung von mir in der Dorset Street in Whitechapel angemietet«, hörte ich Kendall sagen. »Er war nicht die Art Mieter, die man im East End normalerweise findet, undoffensichtlich hätte er sich etwas Besseres leisten können, aber er sagte mir, er sei gern nah bei seiner Arbeit im Royal London Hospital. Dieser Arbeit schien er sich mit Leib und Seele verschrieben zu haben; er sagte mir, er würde für nichts anderes leben. Wissen Sie, das Komische ist, ich mochte ihn; ich mochte Dr. Kearns sehr. Er war ein blendender Unterhalter … mit einem wunderbaren, wenn auch etwas verdrehten Sinn für Humor … sehr belesen und immer pünktlich mit der Miete. Als er also zwei Monate zu spät damit dran war, dachte ich, irgendetwas müsse ihm zugestoßen sein. Schließlich ist es ja Whitechapel. Dr. Kearns hielt sehr späte Zeiten ein, und ich fürchtete, er könnte von Raufbolden abgepasst worden sein – oder Schlimmerem. Also beschloss ich, mehr aus Sorge um sein Wohlergehen als um die Rückstände, nach ihm zu sehen.«
»Ich nehme an, Sie fanden ihn wohlauf vor«, äußerte der Doktor.
»Oh, er war die Verkörperung von Gesundheit und guter Laune! Derselbe alte Kearns. Bat mich auf einen Schluck Tee herein, als sei alles in Ordnung, erzählte mir, er sei in letzter Zeit von einem besonders lästigen Fall beansprucht worden, einem Obermaat bei der britischen Marine, der an einem mysteriösen tropischen Fieber litt. Kearns schien völlig verblüfft – wenngleich gerührt – von meiner Sorge um sein Wohlergehen. Als ich die Sache mit der Miete zur Sprache brachte, brachte er seinen Verdruss zum Ausdruck, gab diesem seinem Fall die Schuld und versicherte mir, ich würde sie, plus Zinsen, bis zum Ende der Woche haben. So besänftigt war ich durch seine redegewandte Begründung – und auch ein bisschen verlegen, ihn bei wichtiger Arbeit gestört zu haben –, dass ich mich tatsächlich dafür entschuldigte, gekommen zu sein, um einzukassieren, was mir rechtmäßig zustand. Oh, er ist des Teufels eigene Brut, dieser Dr. John Kearns!«
»Er kann gut mit
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