Der müde Bulle
verhafte«, hustete er, während ich ihm eine Zigarette ansteckte und ihm das restliche Päckchen mit dem Verhaftungsformular in seine Hemdtasche stopfte.
»Bis dann also.«
»Ich werde sicher sechs Monate kriegen. Letztesmal hat mich der Richter schon verwarnt.«
»Wie schön für dich, Noodles.«
»Wenn sie mich wieder rauslassen, fange ich ja doch gleich wieder zu saufen an. Ich kriege dann einfach Schiß und brauche den Fusel. Sie haben ja keine Ahnung, wie das ist, nachts Angst zu haben – wenn man ganz allein ist.«
»Woher willst du das so genau wissen, Noodles?«
»Ich werde einfach hierher zurückkommen und in irgendeinem Hinterhof krepieren. Irgendwann werden mich die Katzen und die Ratten ja sowieso auffressen, Bumper.«
»Jetzt mach dich mal auf die Socken, sonst versäumst du womöglich den Wagen.« Ich beobachtete ihn noch eine Weile, wie er die Main Street hinunterwankte, und rief ihm dann nach: »Glaubst du denn nicht an Wunder?«
Er schüttelte nur den Kopf, worauf ich mich wieder den zwei Kerlen auf dem Parkplatz zuwandte, die soeben im Pink Dragon verschwanden. Eines Tages, dachte ich, werde ich diesen Drachen töten und sein Blut trinken.
Um mit der Arbeit weiterzumachen, war ich zu hungrig, und so ging ich in Seymour's. Normalerweise frühstücke ich immer gleich nach dem Morgenappell, aber jetzt war es bereits zehn Uhr, und ich trieb mich immer noch in der Gegend herum.
Ruthie beugte sich über einen der Tische, um das Trinkgeld zu nehmen, das ein Gast dort liegengelassen hatte. So von hinten gefiel sie mir außerordentlich gut, und sie mußte aus den Augenwinkeln wohl mitbekommen haben, wie ich ihren Anblick genoß. Vermutlich löst ein blau gekleideter Mann, dunkelblau mit schwarzem Leder, in manchen Leuten irgend etwas aus.
»Bumper!« rief sie und wirbelte herum. »Wo waren Sie denn die ganze Zeit?«
»Hallo, Ruthie«, begrüßte ich sie, immer wieder von neuem verwirrt, weil sie sich so freute, mich zu sehen.
Hinter der Theke klappte Seymour, ein sommersprossiger Rotschopf in meinem Alter, gerade ein Pastrami-Sandwich zusammen. Er grinste, als er Ruthie meinen Namen nennen hörte.
»Na, wen haben wir denn da? Den besten Polizisten, den man für Geld kriegen kann.«
»Bring mir lieber was Kaltes zu trinken, du altes Schlitzohr.«
»Aber sicher.« Seymour reichte das Sandwich einem Kunden, kassierte und stellte dann ein kaltes Bier und ein gekühltes Glas vor mich. Er blinzelte dem gutgekleideten Mann zu, der links von mir an der Theke saß. Die Bierflasche war noch zu.
»Was denkst du eigentlich – daß ich die Flasche mit den Zähnen aufmache?« brummte ich Seymour an, indem ich auf seinen Witz einging. Niemand in meinem Revier hatte mich je im Dienst trinken sehen.
Kichernd beugte er sich vor. Er nahm das Bier wieder von der Theke und füllte mein Glas mit Buttermilch.
»Wo warst du denn die ganze Woche, Bumper?«
»Da draußen.« Ich deutete mit dem Daumen über meine Schulter. »Die Straßen für Frauen und Kinder sicher machen.«
»Bumper ist da!« brüllte Seymour dann nach hinten zu Henry, was gleichbedeutend war mit fünf Rühreiern und der doppelten Menge Lox, wie sie normale zahlende Kunden bekamen. Und es bedeutete auch drei frische Zwiebeltoasts, triefend vor Butter und dick mit cremigem Käse bestrichen. Obwohl ich weiß, daß ich bei Seymour täglich drei Gratismahlzeiten bekommen könnte, frühstücke ich hier nur ein- bis zweimal die Woche.
Seymour wandte sich wieder zu mir. »Der junge Slagel hat mir erzählt, er hätte dich kürzlich in der Hill Street den Verkehr regeln sehen.«
»Ja, der Mann, der dafür zuständig war, bekam Magenkrämpfe. Und da ich in diesem Moment gerade dort vorbeikam, habe ich seinen Posten übernommen, bis sein Sergeant jemand anderen vorbeigeschickt hat.«
»Dort unten den Verkehr zu regeln – das ist normalerweise eine Aufgabe für blutige Anfänger.« Seymour blinzelte neuerlich dem Geschäftsmann neben mir zu, der mir zulächelte und gierig in seinen Seymour's Special Corned Beef on Pumpernickel Sandwich biß.
»Und hast du da unten wenigstens was Nettes kennengelernt, Bumper? Eine Stewardeß vielleicht? Oder eine nette Sekretärin?«
»Du weißt doch, Seymour, daß ich für die schon viel zu alt bin. Aber eines kann ich dir sagen – mit all diesem knackigen jungen Gemüse um mich herum mußte ich den Verkehr so regeln …« Damit stand ich auf und führte eine Pantomime auf, als regelte ich den Verkehr weit
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