Der Musentempel
sah Creticus an. »Hör dir an, was er zu sagen hat.«
»Ihn anhören! Damit hat der ganze Ärger überhaupt erst angefangen! Ich will nichts mehr davon hören! Ich werde ihn des Hochverrats anklagen und vom Tarpejischen Felsen werfen lassen! Ich werde seine Leiche an einem Haken die Stufen zum Tiber hinunterschleifen und in den Fluß werfen lassen!«
Sie zuckte nicht mit der Wimper. Sie stand da, ihr Gesicht zehn Zentimeter vor seinem,.und ihre Stimme zitterte kein bißchen.
»Quintus Caecilius Metellus Creticus, wenn du ihn nicht anhörst, wird mein Onkel, der designierte Konsul Gaius Julius Caesar bei deiner Rückkehr nach Rom ein paar passende Worte für dich bereithalten.«
Creticus stand ungefähr fünf Minuten regungslos da, bis seine normale Gesichtsfarbe zurück gekehrt war. Dann bellte er: »Bringt ihn hinein.« Wir gingen ins Atrium. »Mach es kurz und überzeugend.«
»Krieg«, keuchte ich, am Ende meiner Kräfte. Plötzlich stand Hermes, der gesegnete Junge, mit einem randvollen Becher neben mir. Ich leerte ihn in einem Zug. »Krieg mit Parthien.
Aufstand in Ägypten. Das ist das gestohlene Buch.« »Buch!« brüllte Creticus. »Du meinst, du hast einen Aufruhr angezettelt wegen einer Katze, und jetzt willst du Krieg wegen eines Buches?«
Mir reichte es langsam. Ich hielt ein Ende der Schriftrolle fest und ließ den ganzen Haufen auf den Boden fallen. Er entrollte sich über die gesamte Länge des Atriums und weiter in den Flur und gab den Blick frei auf eine vornehme griechische Handschrift, kunstvolle Zeichnungen und verstreute Dokumente.
Ich hielt meinen Becher hoch, Hermes nahm ihn und gab ihn mir in Sekundenschnelle gefüllt zurück. Ich ging zu den verstreuten Dokumenten, hob sie auf und gab sie Creticus.
»Der geheime Vertrag zwischen Achillas und Phraates von Parthien, die gemeinsam geplant haben, König Ptolemaios zu stürzen und Roms östliche Gebiete unter sich aufzuteilen. Nicht nur der endgültige Vertrag, sondern auch frühere Entwürfe.«
Während Creticus las, starrte ich die anderen Botschaftsbeamten, die steif daneben standen, wütend an. »So leicht kommt ihr Wiesel mir nicht aus eurer Wettschuld von fünfhundert Denarii raus.«
Creticus wurde sehr, sehr blaß, während er las. »Erkläre«, sagte er schließlich. Ich faßte die ganze Geschichte knapp zusammen, vom Mord an Iphikrates bis zu meinem Erscheinen auf der Treppe der Botschaft.
Als ich fertig war, hatte mir jemand einen Stuhl zugeschoben, und ich machte mich eben über meinen dritten Becher her.
»Na gut«, sagte Creticus finster. »Ich gewähre dir eine vorübergehende Begnadigung. Auf deine verrückte Art hast du dem Staat vielleicht doch einen gewissen Dienst erwiesen. Laß uns nach draußen gehen.«
Auf dem Hof hatte sich jetzt eine große Truppe der Palastwache versammelt, aber hinter unserer Linie römischer Marineinfanteristen fühlten wir uns sicher. Ich stolperte nach draußen und stellte mich schlapp neben Creticus. Julia stand neben mir. In der Gruppe der Römer sah ich auch Fausta, die zufrieden aussah, als wäre das ganze Spektakel nur zu ihrer Unterhaltung inszeniert worden. Achillas stand an der Spitze seiner Soldaten. Ich hatte erwartet, daß er ein großes Geschrei machen würde, doch ich hatte ihn unterschätzt. Er wartete ruhig den richtigen Augenblick ab, um sich dann zu entscheiden, wohin er springen würde.
»Meinst du, er wird die Botschaft stürmen, Decius?« fragte Creticus und nahm gleichzeitig das hochmütige Gebaren an, für das römische Beamte überall auf der Welt berühmt sind.
»Das wird er nicht wagen«, flüsterte ich und setzte eine ähnlich herablassende Miene auf. »Ein Krieg käme ihm jetzt noch zu früh. Er braucht das Bündnis mit Parthien, und der Vertrag ist noch nicht überstellt.«
Dann geriet die Menge in Bewegung. Es sah aus, als ob ein Schiff auf die Botschaft zusegelte.
»Da kommt Ptolemaios«, sagte Creticus. »Wollen wir hoffen, daß er nüchtern ist.«
Achillas und seine Soldaten verbeugten sich, als eine gewaltige Sänfte auf dem Hof abgestellt wurde. Eine Rampe wurde herabgelassen, und Sklaven entrollten einen langen, mit teurem lyrischem Purpur gefärbten Teppich. Als Ptolemaios die Rampe herabkam, war er nüchtern, und er kam nicht allein.
Hinter ihm ging seine erneut schwangere Königin, gefolgt von einer Amme, die den Säugling Ptolemaios trug. Dahinter kamen die Prinzessinnen: Berenike, die ernste Kleopatra und zuletzt die kleine Arsinoe an der
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