Der Name der Rose
dunklen Punkt zuerst klären. Auf, Elender!« fuhr er den zitternden Salvatore an und zog ihm mit raschem Griff aus der Brust das Bündel, das dieser dort zu verbergen suchte. »Was hast du da?«
Ich wußte es schon: ein Messer, eine schwarze Katze, die unter wildem Miauen entfloh, als das Bündel geöffnet wurde, und zwei Eier, die nun zerbrochen waren, so daß es aussah wie Blut oder gelber Schleim oder sonst eine schmierig-unreine Masse. Salvatore war offensichtlich gerade dabei gewesen, in die Küche zu schleichen, die Katze zu töten und ihr die Augen auszustechen, nachdem er das Mädchen mit irgendwelchen Versprechungen dazu gebracht hatte, ihm zu folgen. Mir wurde gleich klar, mit welchen Versprechungen: Die Bogenschützen durchsuchten das Mädchen unter allerlei anzüglichem Gelächter und zotigen Worten und förderten aus ihrem Kleid ein totes, noch ungerupftes Hähnchen hervor. Und wie es das Unglück wollte, erschien in der Nacht, in der alle Katzen grau sind, auch das Hähnchen schwarz wie die Katze. Ich aber dachte nur, daß es mehr nicht bedurft hatte, um die hungrige Schöne herbeizulocken, hatte sie doch schon vorige Nacht (aus Liebe zu mir!) ihr kostbares Rinderherz liegengelassen.
»Oh, oh, aha!« rief Bernard Gui sehr besorgt. »Schwarzer Kater und schwarzer Hahn! Ich kenne diese 207
Der Name der Rose – Vierter Tag
Paraphernalien . . .« Er bemerkte William in der Runde. »Ihr kennt sie doch auch, Bruder William? Wart Ihr nicht Inquisitor in Kilkenny, vor drei Jahren, wo jenes Weib Verkehr hatte mit einem Dämon, der ihr in Gestalt eines schwarzen Katers erschienen war?«
Mir kam es so vor, als ob mein Meister aus Feigheit schwieg. Ich griff ihn am Ärmel, schüttelte ihn und flüsterte voller Verzweiflung: »Nun sagt ihm doch, daß es nur aus Hunger war!«
William befreite sich aus meinem Griff und wandte sich artig an Bernard Gui: »Ich glaube nicht, daß Ihr meiner vergangenen Erfahrungen bedürft, um Eure Schlußfolgerungen zu ziehen.«
»Oh nein, da gibt es viel maßgeblichere Zeugnisse«, sagte der Inquisitor mit feinem Lächeln. »Stephan von Bourbon berichtet in seinem Traktat über die sieben Gaben des Heiligen Geistes, wie Sankt Domenikus in Fanjeaux nach einer Predigt wider die Ketzer gewissen Weibern verkündete, sie würden gleich sehen, wem sie bisher gedient hätten, woraufhin plötzlich ein furchterregender schwarzer Kater in ihrer Mitte erschien, groß wie ein Hund, die Augen riesig und glühend, die Zunge blutig und lang bis zum Nabel, der Schwanz gestutzt und hochaufgerichtet, so daß man, wie immer die Bestie sich auch drehte, stets ihr schamloses Hinterteil sah, das unerhört stank, wie es sich gehört für jenen Anus, den vielerlei Satansanbeter, nicht zuletzt die Tempelritter, seit jeher zu küssen pflegten in ihren Versammlungen. Als der Kater fast eine Stunde lang die Weiber umkreist hatte, sprang er mit einem Satz auf das Glockenseil und kletterte unter Zurücklassung seiner stinkenden Exkremente hinauf! Und ist der Kater nicht auch das Lieblingstier der Katharer, die ihren Namen von catus haben, wie Alanus ab Insulis sagt, weil sie das Hinterteil dieser Bestie küssen, in der sie eine Inkarnation des Satans sehen? Und hat nicht auch Guillaume d'Auvergne in De legibus diese scheußliche Praxis bestätigt? Und sagt nicht sogar Albertus Magnus, daß die Katzen potentielle Dämonen sind? Und hat nicht schließlich auch mein verehrter Mitbruder Jacques Fournier berichtet, daß auf dem Totenbette des Inquisitors Gottfried von Carcassonne zwei schwarze Katzen erschienen, die nichts anderes waren als zwei Dämonen, um seine sterbliche Hülle zu verhöhnen?«
Ein entsetztes Murmeln ging durch die Gruppe der Mönche, und viele schlugen das Zeichen des heiligen Kreuzes.
»Herr Abt, Herr Abt!« fuhr Bernard Gui in gestrengem Ton fort. »Euer Hochwürden weiß vielleicht nicht, was die Sünder mit diesen widerwärtigen Dingen zu tun pflegen. Ich aber weiß es sehr wohl, das walte Gott!
Ich habe gesehen, wie ruchlose Weiber zusammen mit anderen ihrer Zunft in den dunkelsten Stunden der Nacht schwarze Katzen benutzten, um Hexenwerk zu verrichten, das sie nimmermehr abstreiten konnten: zum Beispiel rittlings auf dem Rücken gewisser Tiere im Schütze der Nacht gewaltige Strecken zurückzulegen, gefolgt von der Schar ihrer Sklaven, die sie in lüsterne Trolle verwandelt hatten . . . Und der Teufel persönlich zeigte sich ihnen – oder jedenfalls glaubten sie fest daran – in
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