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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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weiß ich nicht. Ich habe mich immer bemüht, diesen Dingen nicht so genau auf den Grund zu gehen. Unsere Abteien sind heilige Orte, aber wenn es um die Abtwürde geht, werden manchmal schlimme, sehr schlimme Intrigen gesponnen. Ich war immer nur an meinen Gläsern und Reliquienschreinen interessiert, ich wollte mit diesen Geschichten nichts zu tun haben . . . Aber nun verstehst du vielleicht, warum ich nicht sicher bin, ob der Abt jetzt Benno von Uppsala einweihen wird, es wäre, als würde er ihn zu seinem Nachfolger designieren – einen unbesonnenen Jüngling, einen fast barbarischen Grammatiker aus dem hohen Norden, wie soll so einer sich hier zurechtfinden, in diesem Lande, in dieser Abtei mit ihren komplizierten Beziehungen zu den weltlichen Herren der Gegend?«
    »Aber Malachias war doch auch kein Italiener und Berengar auch nicht, und doch sind beide zu Hütern der Bibliothek ernannt worden.«
    »Ja, das ist eine dunkle Geschichte. Die Mönche munkeln, seit einem halben Jahrhundert hätte diese Abtei ihre Traditionen verlassen . . . seit damals, vor fünfzig Jahren oder mehr, als Alinardus sich um den Posten des Bibliothekars bewarb. Immer waren die Bibliothekare hier Italiener gewesen, es fehlt nicht an großen Geistern in diesem Lande . . . Und jetzt, siehst du . . .« – Nicolas zögerte, als wollte er nicht aussprechen, was ihm auf der Zunge lag – »jetzt sind Malachias und Berengar vielleicht getötet worden, damit sie nicht Äbte werden . . .«
    Er schüttelte sich, fuhr sich mit der Hand über die Stirn, wie um einen unziemlichen Gedanken zu verjagen, und bekreuzigte sich. »Was rede ich da! In diesem Lande, weißt du, passieren seit vielen Jahren schändliche Dinge, auch in den Klöstern, am päpstlichen Hofe, in den Kirchen . . . Grausame Kämpfe um die Macht, Ketzeranklagen, um jemandem eine Pfründe zu entreißen . . . Scheußlich, ich verliere allmählich das Vertrauen in die menschliche Gattung, ich sehe überall nur noch Komplotte und Palastverschwörungen!
    Auch diese Abtei ist nur noch ein Vipernnest, ausgebrütet mit Hilfe dunkler Magie in dem, was einst ein Reliquienschrein voll heiliger Glieder war! Sieh her, dies ist die Vergangenheit unseres Klosters!«
    Er wies auf die Schätze ringsum und lenkte unsere Blicke, vorbei an goldenen Kreuzen und anderen Weihegeräten, auf die Reliquien im Innern der Schreine, die den wahren Ruhm der Abtei ausmachten.
    »Seht hier«, sagte er ergriffen, »dies ist die Lanzenspitze, die Unserem Erlöser in die Seite drang!« Er zeigte uns ein goldenes Kästchen mit kristallenem Deckel, worin auf einem purpurnen Kissen ein dreieckiges Stück Eisen lag, einst rot vom Rost, doch nun wieder zu hellstem Glänze gebracht durch ausgiebiges Polieren mit Öl und Wachs. Aber das war noch gar nichts. Denn in einem anderen Schrein, aus Silber und mit Amethysten besetzt, die Vorderseite aus klarem Kristall, sah ich ein Stück vom verehrungswürdigen Holz des Heiligen Kreuzes, eigenhändig in diese Abtei gebracht von der Königin Helena, der Mutter des Kaisers Konstantin, nachdem sie ins Heilige Land gepilgert war, den Hügel Golgatha auszugraben und über dem Heiligen Grab einen Dom zu errichten!
    Noch andere kostbare Dinge zeigte uns Nicolas, und ich kann unmöglich über alle berichten, so viele waren es. In einem ganz aus Aquamarin gefertigten Schrein lag ein Nagel vom Kreuz des Herrn. In einer Phiole, gebettet auf ein Lager aus kleinen gepreßten Rosen, befand sich ein Stück von der Dornenkrone, in einem anderen Gefäß, gleichfalls gebettet auf einen Teppich aus getrockneten Blumen, ein vergilbter Fetzen vom Tischtuch des Letzten Abendmahles. Ferner sah ich die Börse des heiligen Evangelisten Matthäus, aus silbernen Maschen gewirkt, und in einem Glaszylinder, umwunden mit einem Kranz aus braunrot gewordenen Veilchen und versiegelt mit Gold, einen Knochen vom Arm der heiligen Anna. Ich sah, Wunder über Wunder, auf einem roten, mit Perlen bestickten Kissen, überwölbt von einer gläsernen Glocke, ein Stück der Krippe zu Bethlehem, ich sah einen Streifen vom Purpurgewand des heiligen Evangelisten Johannes, zwei Glieder der Kette, die den Pflock des heiligen Petrus in Rom verschlossen hatte, den Schädel des heiligen Adalbert, das Schwert des heiligen Stephanus, ein Schienbein der heiligen Margaretha, einen Finger des heiligen Vitalis, eine Rippe der heiligen Sophia, das Kinn des heiligen Eoban, den Oberteil vom Schulterblatt des heiligen Chrysostomus, den

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