Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
leisten.
Daran merkst du, wie praktisch Kass veranlagt ist. Für Banales hat sie einfach keine Zeit.
Ihr Motto: Allzeit bereit.
Ihr Auftrag: Dafür zu sorgen, dass sie, ihre Freunde und ihre Familie drohende Katastrophen wohlbehalten überleben.
Kass ist nämlich eine Überlebenskünstlerin.
Und das sind die Dinge, die sie jeden Tag in ihrem Rucksack mit sich herumträgt:
Taschenlampe
Kompass
silberfolienbeschichtete Isoliermatte – überraschend warm, falls du es noch nicht ausprobiert hast, außerdem reflektiert sie
Safttüte – meistens Traubensaft, notfalls auch als Tinte zu verwenden
Kaugummi – weil es Klebstoff ersetzt und auch, weil Kaugummikauen die Konzentrationsfähigkeit erhöht
Kassandras Spezial-Superchip-Mischung – Schokochips, Erdnussbutterchips, Bananenchips und Kartoffelchips (aber niemals Rosinen!)
Landkarten – von sämtlichen Wüsten-und Gebirgslandschaften der näheren Umgebung, dazu eine Karte von Mikronesien und den Galapagos-Inseln
Seil
Werkzeug
Erste-Hilfe-Ausrüstung
Staubmaske
Socken und Schuhe zum Wechseln – im Fall einer Sturzflut oder anderer Nässe
Zündhölzer – obwohl es verboten ist, sie in die Schule mitzubringen
Plastikmesser – weil es strengstens verboten ist, ein Klappmesser mitzubringen
Schulbücher und Hausaufgabenhefte – falls sie daran denkt, was nicht allzu oft passiert (meistens vergisst sie, Hausaufgaben auf ihre Vorratsliste zu setzen)
Der Inhalt des Rucksacks lässt vermuten, dass Kass ein sehr abenteuerliches Leben führt. Aber das ist falsch. Tatsächlich ist bis zu dem Zeitpunkt, an dem diese Geschichte beginnt, nie eine der von ihr erwarteten Katastrophen über sie hereingebrochen. Es gab kein Erdbeben an der Schule – zumindest keines, das heftig genug gewesen wäre, um ein Fenster zum Bersten zu bringen. Der Schimmel in der Dusche ihrer Mutter stellte sich als genau das heraus – und nicht als Killerpilz, wie Kass vermutet hatte. Und das Kind, das auf der Wiese herumtollte, hatte nicht etwa Rinderwahnsinn, sondern spielte einfach nur vergnügt vor sich hin.
Kass machte es nichts aus, wenn ihre Vorhersagen nicht eintrafen. Es war ja nicht so, als sehnte sie eine Katastrophe herbei. Aber sie hätte sich doch gewünscht, dass die Leute ihre Warnungen etwas ernster nähmen.
Stattdessen sagten sie, es sei falsch, immer wieder blinden Alarm zu schlagen, nach dem Motto: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht. Aber Kass wusste es besser. Ein blinder Alarm hieß noch lange nicht, dass man auch blind war. Also besser vorher als nachher Zeter und Mordio schreien.
Es gab nur zwei Menschen auf der Welt, die Kassandras Voraussagen Aufmerksamkeit schenkten: Großvater Larry und Großvater Wayne.
Larry und Wayne waren nicht Kassandras leibliche Großväter. Sie waren ihre Ersatzgroßväter. Larry war an der Highschool der Geschichtslehrer ihrer Mutter gewesen und seit dieser Zeit waren beide miteinander befreundet. Da die echten Großväter nicht zur Hand waren, hatte Kassandras Mutter Larry und Wayne gebeten, diese Lücke zu füllen.
Larry und Wayne lebten gleich um die Ecke in einem alten, verlassenen Feuerwehrhaus. Das Erdgeschoss, in dem die Feuerwehrautos abgestellt waren, hatten sie in einen Antiquitätenladen und ein Warenlager verwandelt. Ihre Wohnräume befanden sich im Obergeschoss, wo sich früher die Feuerwehrleute zwischen den Einsätzen ein wenig Schlaf gegönnt hatten.
Jeden Mittwoch nach der Schule ging Kass ihnen im Geschäft zur Hand, bis ihre Mutter anrief, um zu sagen, dass das Abendessen fertig war. In Wahrheit gab es allerdings nur sehr wenig zu tun.
»Du kommst gerade richtig zum Tee«, pflegte Großvater Larry zu sagen, sobald sie den Laden betrat.
Großvater Larry war kein Brite, aber er hatte einige Zeit als Soldat in England verbracht und es sich zur Gewohnheit gemacht, Tee zu trinken. Kass fand Larrys ausgefallene Teerituale ein wenig albern, aber sie liebte Larrys Plätzchen (er selbst sagte Kekse) und die Geschichten, die er zum Besten gab, während der Tee zog. Zwar hatte sie mittlerweile den Verdacht, dass er beim Geschichtenerzählen ein wenig übertrieb, um nicht zu sagen, flunkerte, trotzdem konnte sie das ein oder andere daraus lernen – etwa, wie man während eines Sandsturms ein Zelt aufstellt oder wie man ein Kamel melken muss.
An jenem Mittwoch, an dem unsere Geschichte ihren Anfang nimmt, zeigte Larry ihr, wie man einen Kompass macht, indem man einen
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