Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
»seltsamen und zurückgezogen lebenden Mannes – eine Art Magier oder so ähnlich. Wenn ihr mich fragt, ein verschrobener alter Kauz«, sagte Gloria.
»Nun mal langsam, Gloria«, sagte Großvater Larry. »Unter uns gibt es wohl auch ein paar Leute, die in diese Kategorie fallen.«
Der Magier, fuhr Gloria ungerührt fort, war vor einigen Monaten plötzlich gestorben, und zwar bei einem Küchenbrand, dessen Ursache nie richtig geklärt werden konnte. Er hinterließ, soweit bekannt, weder Verwandte noch andere Hinterbliebene. »Nicht einen einzigen Freund hatte er, der arme Mann.«
Weil das Haus des Magiers abseits aller ausgetretenen Pfade lag, wäre die Leiche wohl nie entdeckt worden, hätte der Gärtner nicht einen schrecklichen Geruch aus der Küche wahrgenommen.
Kass nickte wissend. »Der Geruch von verwesendem Fleisch kann sehr durchdringend sein«, sagte sie, um zu zeigen, dass sie sich mit solchen Sachen auskannte (obwohl sie, das möchte ich betonen, ihre Kenntnisse über Leichen zu diesem Zeitpunkt noch nicht aus erster Hand hatte).
»Wohl wahr«, schniefte Gloria. »Aber in Wirklichkeit hat der Gärtner etwas ganz anderes gerochen. Schweflig, so hat er es beschrieben. Wie huevos podridos.«
»Das heißt faule Eier«, sagte Kass, die Spanisch in der Schule lernte.
»Ich dachte, es bedeutet so viel wie Schnattergans«, sagte Gloria spitz.
Kass hielt es für ratsam, nichts mehr zu sagen, erklärte, sie habe Hausaufgaben zu erledigen, und tat so, als sei sie nicht länger an der Geschichte des toten Magiers interessiert. Aber natürlich hörte sie weiter zu, besser gesagt, sie lauschte heimlich, während Gloria ihre Geschichte zu Ende erzählte.
Offenbar gab es gar keine Leiche, Geruch hin oder her. Das Feuer hatte so gewütet, dass von dem Hausbewohner nur noch ein paar Zähne übrig blieben. (Siehst du, ich hab dich ja gewarnt wegen der Zähne.) Seltsamerweise war nur die Küche in Flammen aufgegangen, der Rest des Hauses blieb unversehrt, als sei das Feuer genauso schnell erloschen, wie es ausgebrochen war.
Laut Gloria war die Ursache für den widerlichen Gestank nie entdeckt worden, obwohl es immer noch ein wenig danach roch. Sie hoffte, das würde den Verkauf des Hauses nicht beeinträchtigen, der ohnehin schwierig genug war bei einem Objekt, das »schrullig« war und »ab vom Schuss« lag.
Gloria betonte das, als sei es etwas Anrüchiges, aber Kass, die nicht genau wusste, was sie damit meinte, war begeistert. Sollte sie je ein Haus kaufen, dann müsste es so wie das des Magiers sein.
Nachdem Gloria gegangen war, gesellte sich Wayne zu ihnen und gemeinsam sahen sie die Sachen des Magiers durch. Das meiste davon war enttäuschend. Was Gloria als eine »Vorrichtung, um Tränke zu brauen« beschrieben hatte, stellte sich als ganz normaler Küchenmixer heraus. Und was sie als »Instrument, um etwas verschwinden zu lassen« bezeichnet hatte, war in Wirklichkeit eine Art Fitnessgerät.
Gerade als sie zu dem Schluss kamen, dass sie nun alles Verwertbare aussortiert hatten, fing Sebastian aufgeregt zu bellen an. Der blinde Hund umkreiste den Karton, schnüffelte daran, als wäre etwas darin, was er heiß begehrte. Oder wovor er Angst hatte. Oder beides.
Kass entfernte einen Packen Zeitungspapier vom Boden des Kartons und entdeckte etwas, das ihnen bisher entgangen war: eine kleine Holzkiste.
Sebastians Bellen wurde lauter.
Die flache Kiste ähnelte in Größe und Gestalt einem Aktenkoffer, Scharniere und Verschlüsse waren aus Messing. Sie war aus einem dunkel gemaserten rötlichen Holz und der Deckel war mit verschlungenen Ranken und Blumen verziert, in deren Mitte ein Gesicht eingraviert war. Es war im Profil abgebildet und saugte Rauch in sich hinein.
»Rosenholz«, sagte Wayne und nahm Kass die Schachtel ab, um sie eingehender zu betrachten. »Für eine Zigarrenschachtel ist sie zu groß... vielleicht ein Besteckkasten?«
Larry nickte. »Gut möglich ...im Stil von Art nouveau * .Ungefähr hundert Jahre alt. Französisch?«
* Art nouveau ist tatsächlich französisch und heißt »Neue Kunst«, ist aber, wie du an der Holzkiste siehst, eigentlich alt. Falls du je nach Paris kommen solltest, und ich hoffe, das wird eines Tages der Fall sein, wird dir auffallen, dass die Eingänge zur Metro, der Pariser U-Bahn, mit üppigen Rankenornamenten verziert sind, die aus dem Gehweg in die Höhe zu wachsen scheinen – ein Art-nouveau-Dschungel.
Er nahm die Schachtel und hielt sie hoch, um einen
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