Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis
war, hatte sich etwas Merkwürdiges ereignet: Sein Verschwinden hatte seine Eltern wieder zusammengeführt. Die Sorge um den Sohn hatte sie dazu gebracht, ihre Streitigkeiten zu begraben – und sich zu trennen.
Von jetzt an, so versprachen sie, wollten sie wie richtige geschiedene Eltern sein. Jeder würde in seinem Haus wohnen – und zwar in seinem eigenen.
»Du bist weggelaufen, um uns etwas Wichtiges mitzuteilen«, sagte sein Vater.
»Und wir haben es klar und deutlich verstanden«, sagte seine Mutter.
Max-Ernest hielt es für das Beste, ihnen nicht zu widersprechen.
Amber
Da unsere Geschichte schon so weit fortgeschritten ist, gibt es eigentlich gar keinen Grund mehr, noch mal auf Amber zurückzukommen. Täten wir es aber nicht, wäre sie bestimmt ziemlich wütend.
Nicht dass sie es zugeben würde. Als das netteste Mädchen in der ganzen Schule würde sie bestimmt sagen, das ist »völlig in Ordnung – ich meine, du würdest ja auch nicht in meinem Buch vorkommen«.
Aber Halt! Es gibt durchaus einen Grund, Amber noch einmal ins Spiel zu bringen. Und sei es auch nur, um zu berichten, was Kass antwortete, als Amber ihr das nächste Mal einen Smoochie anbot.
Kass sagte einfach: »Nein.«
Ein unscheinbares Wort, das ist wahr, aber für Kass war es eine ganz tolle Sache.
Mrs Johnson
Wenn Dr. L und Madame Mauvais die wahren Bösewichte in diesem Buch sind, was ist dann Mrs Johnson? Müsste ich das entscheiden, würde ich sagen: Mrs Johnson verkörpert Recht und Ordnung. In unserem Buch ist sie so etwas wie die Polizei. Sie ist diejenige, die Regeln aufstellt und Strafen verhängt, wenn man sie missachtet.
Was uns dem Ende unseres Schlusskapitels ein Stück näher bringt.
Inzwischen werden sich die Leser wahrscheinlich schon fragen, wie viel Kass und Max-Ernest von ihrem Ausflug in die Mitternachtssonne gebeichtet haben.
Die Antwort lautet: alles und nichts.
Oh ja, wirklich, sie haben es versucht.
Aber immer wenn sie von ihren Erlebnissen erzählt haben, reichten die Reaktionen von höflicher Skepsis bis zu krassem Unglauben.
Du könntest vielleicht auf die Idee kommen, dass Benjamin Blake ihnen geholfen hätte. Warum hat er wohl eine Glatze, so fragte Kass, wenn niemand ihm das Gehirn aussaugen wollte? Aber die Leute sahen das anders. Dafür gäbe es viele Gründe, meinten sie. Zum Beispiel, dass er so aussehen wollte, als wäre er in einer Rockband. Vielleicht hatte er ja Läuse.
Leider konnte sich Benjamin selbst nur äußerst vage an seine Torturen erinnern. Soweit man seinen genuschelten Worten entnehmen konnte, hatten ihn Kass und Max-Ernest auf einen Ausflug nach Ägypten mitgenommen, wo er an einem Lagerfeuer gesessen und Pfefferminzeiscreme geschleckt hatte.
Am Tag nach Kassandras und Max-Ernests Rückkehr machten sich Feuerwehrleute und Polizeifahnder auf, um die Stelle zu untersuchen, an der bis vor Kurzem noch die Mitternachtssonne gestanden hatte. Die beiden Kinder warteten gespannt auf deren Bericht. Aber das Feuer hatte die gesamte Anlage vernichtet. Es war nicht zu glauben, aber sie schienen die einzigen Überlebenden zu sein. Zumindest fanden sich keine anderen. Es war, als hätte es die Mitternachtssonne nie gegeben. Die Fahnder waren der Ansicht, dass es sich um Brandstiftung handelte.
Als die Leute das hörten, zweifelten sie nicht länger an der Geschichte von Kass und Max-Ernest. Sie glaubten sie überhaupt nicht mehr.
In einem Buch, in dem Gefühle eine wichtigere Rolle spielen als in diesem, hätte die Schuldirektorin bei Kassandras Rückkehr geweint. Sie hätte sich dafür entschuldigt, dass sie Kass nicht geglaubt hatte, und sie hätte Kass angefleht, ihr zu verzeihen. Es hätte eine Feier stattgefunden, bei der Kass und Max-Ernest wahrscheinlich Auszeichnungen erhalten hätten – sagen wir mal für die beste Überlebenskünstlerin und für den besten Code-Knacker.
Aber du kennst das Buch inzwischen ja besser.
(Nein, nein, was das angeht, bleibe ich eisern.)
Mrs Johnson konnte es zwar nicht beweisen, aber sie war der Meinung, dass Kass und Max-Ernest an Benjamin Blakes Verschwinden schuld waren und nicht an seiner Rettung.
Die langen Stunden, die Kass und Max-Ernest mit Arrest und Strafarbeit verbrachten, will ich gar nicht im Einzelnen beschreiben, denn das verletzt meinen Sinn für Gerechtigkeit allzu sehr (ja, ich habe tatsächlich einen Sinn für Gerechtigkeit, auch wenn er, wie ich zugeben muss, nicht immer sehr wach ist). Wenn du sadistisch veranlagt bist,
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