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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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kommst du nicht vorbei, auch wenn du mich erschießt. Der hat nämlich
     auch eine Kanone, aber eine etwas größere als dein Spielzeug.«
    »Soll ick dir mal zeigen, wat det Spielzeuch kann?«
    Der Mann hob die Pistole, doch im selben Augenblick hatte Wolter ihn von hinten gepackt. Mit beiden Händen hielt er den rechten
     Arm des Koksers umfasst. Den mit der Pistole. Wolter versuchte, an die Waffe heranzukommen, und streckte seine Hand danach
     aus. Endlich hatte er sie erreicht …
    Da löste sich ein Schuss.
    Rath hörte das Pfeifen des Projektils dicht an seinem Ohr. Holz splitterte. Er duckte sich instinktiv.
    Der falsche Kaiser guckte entsetzt und vergaß seine Gegenwehr für einen Moment. Wolter nutzte seine Chance und schlug die
     Schusshand mit aller Gewalt gegen einen Stahlträger. Ein Schmerzensschrei, die Waffe polterte auf die Holzbohlen. Der Onkel
     drehte sich den Ganoven zurecht und rammte ihm seine Rechte in den Magen. Der Mann klappte augenblicklich zusammen, dennoch
     ließ der bullige Polizist einen linken Haken folgen, der den Kaiser endgültig auf die Bretter schickte. Wolter trat dem Bewusstlosen
     noch einmal in die Seite und keuchte.
    »So ein Arschloch!«
    Er kettete den Mann mit Handschellen ans Gerüst und sammelte dessen Pistole auf.
    »Das war knapp, Gereon«, sagte er. »Du hättest deine Waffe ziehen sollen.«
    »Ich brauchte beide Hände zum Klettern.«
    Rath wusste, der Onkel hatte recht: Es war eine Illusion zu glauben, man könne den Job bei der Sitte ganz ohne Schusswaffe
     erledigen. Polizei war Polizei. »Danke, Kollege«, sagte er schließlich, als er merkte, dass Wolter auf seinen Spruch nicht
     einging.
    »Danke Partner, so heißt das«, sagte Wolter und klopfte ihm auf die Schulter. Der Oberkommissar zückte ein Taschenmesser,
     klappte es auf und machte sich an dem großen Querbalken hinter Rath zu schaffen. Nach einiger Zeit hatte er die Kugel aus
     dem Holz geschält. Er nahm sie und ging zu dem Kokser, der wieder zu sich gekommen war und sich unter den Handschellen aufbäumte.
     Wolter verpasste ihm eine derart kräftige Ohrfeige, dass die Nase zu bluten begann. Erschrocken schaute der Mann den Polizisten
     an, der sich direkt vor ihn auf die Bohlen gehockt hatte und ihm das Projektil vor die Nase hielt.
    »Du solltest mir dankbar sein, du Riesenarschloch«, sagte Wolter.
    Das Riesenarschloch spuckte Blut.
    »Weißt du warum?«
    Hektisch flackernde Augen.
    »Ich hab dich davor bewahrt, dass du als Polizistenmörder aufs Schafott kommst.«
    Blutspucken.
    »Aber versuchten Polizistenmord, den hast du immer noch an der Backe. Weißt du, was wir mit solchen Leuten machen?«
    Kopfschütteln.
    »Du weißt es nicht? Dann hör mir gut zu: Du kommst nach Plötzensee, und da sorgen wir dafür, dass du zu den richtig harten
     Jungs gesperrt wirst. Und denen erzählen wir, du bist ein gottverdammter Schlüpferfresser. Weißt du, was die mit Kinderfickern
     machen in Plötzensee? Kein Wärter ist so blöd und mischt sich daein. Ich kenn Leute, die hätten sich eher aufs Schafott gewünscht. Die hätten sich gewünscht, sie hätten getroffen, als sie
     auf einen Polizisten anlegten.«
    Entsetzter Blick.
    Wolter schaute Rath an.
    »Was machen wir nur mit diesem Drecksack?«, fragte er.
    Rath zuckte die Achseln. Der Onkel wandte sich dem Kokser zu.
    »Weißt du eigentlich, dass wir die einzigen Freunde sind, die du auf dieser tristen Welt noch hast?« Er drehte das Projektil
     zwischen seinen Fingern. »Das hier ist ein Beweismittel. Mit dieser Kugel hast du auf meinen Partner geschossen. Und beinah
     getroffen.«
    Er steckte sie in die Jackentasche.
    »Vielleicht ist diese Kugel aber auch niemals abgefeuert worden.«
    Wolter wartete, bis der Mann die Worte verarbeitet hatte. Dann nahm er die Pistole, fasste sie am Lauf und ließ sie mit spitzen
     Fingern pendeln. Wie ein Magnetiseur im Varieté, der einen Freiwilligen aus dem Publikum in die Hypnose pendelt. Die Koksaugen
     versuchten, der Waffe zu folgen.
    »Schönes Modell. Klein, aber handlich.« Wolter pfiff durch die Zähne. »Oh, eine Lignose! Ein Einhänder, richtig? Kaliber 6.75.
     Mit deinen Fingerabdrücken. Darüber freut sich jeder Richter.«
    Er steckte die Pistole in die Tasche.
    »Kommt aber ganz auf dich an, ob ein Richter das jemals zu sehen bekommt.«
    Endlich fand der Kokser die Sprache wieder.
    »Was willst du, Bulle?«, keuchte er. Pupillen huschten haltlos hin und her. In seinem Blick mischten sich Angst und

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