Der nasse Fisch
Gereon.«
»Halt!«
Weinert blieb stehen. Rath reichte ihm die schwarze Mappe mit der getippten Beichte eines einfachen SA-Scharführers.
»Was ist das?«
»Keine Ahnung. Muss jemand hier vergessen haben. Vielleicht steht ja was Interessantes drin. Irgendwas über Waffenschiebereien
zum Beispiel.«
Weinert schien endlich zu verstehen. Sein Gesicht hellte sich auf. »Meinst du?«
»Ich würde die Mappe an deiner Stelle jedenfalls nicht im Fundbüro abgeben.«
»Wenn die Informationen stimmen.«
Rath zuckte die Achseln. »Das musst du entscheiden. Du bist der Journalist. Ich bin Polizeibeamter.«
Weinert wedelte mit der Mappe. »Wenn ich mal wieder was für dich tun kann – sag Bescheid.«
Rath musste nicht lange überlegen. »Brauchst du morgen dein Auto?«
»Wenn du dich noch in die Nürnberger Straße traust, kannst du es haben.« Weinert lachte und drehte ab.
Rath schaute dem Journalisten hinterher, bis er in der Menschenmenge verschwunden war. Er blieb am Tisch sitzen und zündete
sich noch eine Zigarette an. Manchmal musste man lügen, um der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen. Weinert war heiß auf
diese Geschichte, er würde sie schreiben, so viel stand fest.
Raths Blick wanderte über das Dächermeer. Er wusste immer noch nicht, was er von dieser Stadt halten sollte. Aber im Sommer
hatte Berlin zweifellos seinen Reiz. Eine ganz andere Stadt als im Winter. Vielleicht war es hier ja gar nicht so schlecht.
Nun musste er nur noch Charly überreden, morgen mit ihm ins Grüne zu fahren. Das war das Schwierigste. Aber das würde er auch
noch hinkriegen.
[ Menü ]
Das Buch
Gereon Rath, neu in Berlin und abgestellt bei der Sitte, erlebt eine Weltstadt
im Rausch und voller sozialer und politischer Spannungen. Nach dem Fund
einer unidentifizierten Leiche schaltet sich der junge ehrgeizige Kommissar
ungefragt in die stagnierenden Ermittlungen der Mordkommission ein – und
stößt in ein Wespennest.
Mit diesem Großstadtroman beginnt eine sensationelle Serie, in der Kutscher
den Kriminalkommissar Rath durch das Berlin der späten 20er und frühen
30er-Jahre und mitten in die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche der
Zeit schickt. Dem Leser stockt der Atem, wenn er erste Anzeichen für das Erstarken
des Nationalsozialismus bemerkt, die von den Romanhelden noch als
harmlos abgetan werden. Und er fiebert mit dem jungen Ermittler, der in Köln
aufwuchs, dort seine Karriere bei der Polizei begann und nach einem tödlichen
Schuss die Stadt verlassen und in Berlin bei der Sitte neu anfangen muss. Fasziniert
von der vibrierenden Atmosphäre der amerikanischen Stadt Europas,
entnervt von den Razzien in Nachtclubs und Bordellen, nutzt Rath die erste
sich bietende Gelegenheit, um wieder als Mordermittler tätig zu werden.
Ein Toter ohne Identität, der Spuren bestialischer Folterung trägt, gibt der
Mordkommission Rätsel auf. Rath entdeckt eine Verbindung zu einem Kreis
oppositioneller Exilrussen, die mit geschmuggeltem Gold Waffen kaufen wollen,
um einen Putsch vorzubereiten. Auch andere sind hinter dem Gold und
den Waffen her. Rath bekommt es mit Paramilitärs und dem organisierten
Verbrechen zu tun. Er verliebt sich in Charly, Stenotypistin in der Mordkommission,
und missbraucht ihr Insiderwissen für seine einsamen Ermittlungen.
Dabei verstrickt er sich immer weiter in den Fall und macht sich schließlich
selbst verdächtig.
Volker Kutscher erzählt von einem einsamen und zu allem entschlossenen
Kommissar und liefert das brillante Porträt einer Metropole, die in ihrer Rastlosigkeit,
Buntheit und Vergnügungssucht erstaunlich modern und gegenwärtig
wirkt – und deren Schicksal vorgezeichnet ist.
Weitere Informationen: www.gereonrath.de
[ Menü ]
Informationen zum Autor (Klappentext)
Volker Kutscher , geboren 1962, arbeitete nach dem Studium brotloser Künste
(Germanistik, Philosophie und Geschichte) zunächst als Tageszeitungsredakteur,
bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Heute lebt er als freier
Autor in Köln. »Der nasse Fisch« ist sein vierter Roman.
[ Menü ]
Lieferbare Titel / Lesetipps
»Bullenmord« (mit Christian Schnalke), Roman, 1996.
»Vater unser« (mit
Christian Schnalke), Roman, 1998.
»Der schwarze Jakobiner«, Roman, 2001.
Parallel zum Roman erscheint »Der nasse Fisch« als Hörbuch bei Argon, gelesen
von Sylvester Groth.
1. Auflage 2008
© 2008, 2007 by Verlag
Weitere Kostenlose Bücher