Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
umfuhr die Großbaustelle an der Jannowitzbrücke, die auch sonntags für ein Verkehrschaos
     gut war, und nahm den Weg vorbei am Märkischen Museum über die Waisenbrücke. Doch auch der Alexanderplatz war eine einzige
     Baustelle. Schwere Dampframmen trieben den U-Bahn-Bau voran und hatten den Platz fast komplett ausgehöhlt. Der Verkehr wurde
     über dicke Holzbohlen geleitet, Bauzäune bildeten enge Gassen, durch die sich die Fußgängermassen schoben. Holzbalken stützten
     die stählerne Stadtbahnbrücke über der Königstraße. Sie waren schon bei Aschinger um die Ecke gebogen, als sie doch noch in
     die Falle tappten. Der Ford blieb hinter einem gelben BVG-Bus hängen, der den engen provisorischen Fahrweg komplett blockierte. Berlin raucht Juno , verriet die Werbung. Wolter fluchte. Ein Junge im Sonntagsstaat stand auf der Außentreppe, die zum Oberdeck führte, und
     zeigte ihnen eine lange Nase.
    Das riesige Backsteingebirge des Polizeipräsidiums war bereits zu sehen. Den Namen Rote Burg trug das Gebäude nicht von ungefähr. Der große Eckturm thronte über dem Alexanderplatz wie ein Bergfried. Rath hatte sich
     erst einmal daran gewöhnen müssen, dass auch die Beamten das Präsidium meinten, wenn sie von der Burg sprachen.
    »Lass mich hier aussteigen, ich besorg uns was zu essen«, meinte er. »Zu Fuß bin ich schneller in der Burg als du mit dem
     Auto.«
    Er musste nicht lang anstehen. Keine zehn Minuten später betrat er das Präsidium über den Eingang Dircksenstraße. Hier, an
     der Stadtbahnseite, hatte die Kriminalpolizei ihre Büros. Das regelmäßige Rauschen und Rumpeln der Bahnen, die an seinem Fenster
     vorbeirollten, trommelte ihm Tag für Tag den Rhythmus. Den Schupo am Eingang grüßte Rath mit den Aschinger-Papiertüten in
     seiner Rechten. Dreimal Bratwurst mit Senf. In der linken Hand der Topf mit dem Kartoffelsalat. Sie waren Stammkunden.Bei Aschinger schmeckte es besser als in der Kantine. Sie würden erst einmal in aller Ruhe essen und sich dann auf die Verhöre
     vorbereiten. Bis sie den ersten Kandidaten aus seiner Zelle holten, würde noch etwas Zeit vergehen. Die Bande sollte schmoren.
     Sein Magen knurrte, als er die Treppen hochstieg. Außer zwei Tassen Kaffee, einer guten zu Hause und einer schlechten im 220.
     Revier, hatte er heute noch nichts in den Magen bekommen.
    Als er vom Treppenhaus auf den graugetünchten Korridor trat, blieb er einen Moment gedankenverloren vor der gläsernen Flügeltür
     stehen, auf der in großen weißen Buchstaben MORDINSPEKTION stand. Brunos Worte schoben sich in seine Gedanken: Gennats Truppe – Lieblinge der Gesellschaft – handverlesen. In dem langen Gang hinter der Glastür hatte sich gerade eine Bürotür geöffnet. Auch die Mordermittler hatten sonntags zu
     tun. Eine junge Frau stand in der Tür und rief noch etwas in den Raum, bevor sie sich abwandte und den Gang herunterkam. Rath
     blickte durch das Glas in ein schmales Gesicht. Ein entschlossen gewölbter Mund, dunkle Augen unter dem schwarzen, modisch
     kurz geschnittenen Haar. Dunkelrotes Kostüm. Unter dem rechten Arm klemmte eine Aktenmappe. Ihre Schritte klapperten schnell
     und energisch über den Steinboden des langen Korridors. Als sie einen entgegenkommenden Kollegen grüßte, zauberte ihr das
     Lächeln ein Grübchen auf die linke Wange.
    »Verlauf dich nicht«, schreckte ihn eine Stimme aus dem Tagtraum. Er drehte sich um wie ertappt und blickte in ein lachendes
     Gesicht. »Du arbeitest immer noch bei uns«, sagte Wolter und klimperte mit dem Autoschlüssel.
    Die Glastür öffnete sich. Die Frau schenkte auch den Beamten der Inspektion E im Vorübergehen ihr Lächeln.
    »Guten Tag«, sagte sie. Ihre Stimme klang heller, als er erwartet hätte.
    Wolter tippte zum Gruß an seinen Hut, Rath hob noch einmal die Papiertüten. Und kam sich im selben Augenblick ziemlich dämlich
     und unbeholfen vor. Die Frau blickte ihn neugierig, beinahe belustigt an. Er senkte die Hand mit den raschelnden Tüten. IhrLächeln kehrte noch einmal zurück. Für einen kleinen Augenblick nur, und er wusste nicht, ob sie ihn aus- oder anlachte. Und
     dann ging sie weiter. Das Dunkelrot entfernte sich, verschwand hinter der nächsten Glastür und wurde immer kleiner. Er schaute
     ihr noch immer nach. Der Onkel lachte und klopfte ihm auf die Schulter.
    »Komm, lass uns was essen, bevor die Arbeit beginnt. Du bist ja vollkommen durch den Wind. Wann hast du eigentlich die letzte
     Frau

Weitere Kostenlose Bücher