Der nasse Fisch
Hoffnung.
»Ich will dir klarmachen, dass es jetzt ganz allein an dir liegt, wie rosig deine Zukunft aussieht. Es ist ganz einfach. Pass
gut auf, ich erkläre es dir nur einmal! Du gehörst ab sofort mir und meinem Partner.« Wolter zeigte auf Rath, der langsam
nähergekommen war. »Wenn wir dir Fragen stellen, dann hast du Antworten parat. Immer. Ganz gleich, zu welcher Tages- und Nachtzeit
wir dich besuchen.«Er nahm dem Mann die Handschellen ab und zog ihn hoch. »Probieren wir gleich mal aus, ob du verstanden hast. Wenn du dich
gut anstellst, dann musst du nicht mal mit aufs Präsidium.«
»Ick hab noch nie eenen verpfiffen! Sucht euch eure Achtjroschenjungs woanders!«
»Einmal ist immer das erste Mal. Das sollte so einer wie du doch wissen.« Wolter gelang ein beinah charmantes Lächeln. Beinah.
»Glaub mir, man gewöhnt sich dran. Und manchmal springt sogar was für dich dabei raus. Wenn wir mit dir zufrieden sind.«
»Und wenn ick euch sage, ihr könnt mich mal?«
»Denk einfach an das, was ich dir von Plötzensee erzählt habe! Das erleichtert die Entscheidung.«
Immer noch spiegelten die nassglänzenden Straßen einen weißgrauen Himmel, regenschwere Wolken hingen über der Stadt. Der schwarze
Ford A schoss mit geschlossenem Verdeck über den Kottbusser Damm. Wolter steuerte seinen Wagen an langsam zockelnden Sonntagsfahrern
vorbei. Rath saß auf dem Beifahrersitz und hing seinen Gedanken nach, während die Stadt an ihm vorüberraste. Am Alex wartete
jetzt die eigentliche Arbeit auf sie: Verhöre, Verhöre, Verhöre. Die Bande schmorte in den Zellen, Frischling Jänicke hatte
sie vor einer Stunde in der Grünen Minna zum Alex begleitet. Im Polizeigewahrsam würden sie König und seine Leute noch ein
wenig weichkochen, bevor die Arbeit begänne. Mit dem, was der Pornokaiser, der auf den bürgerlichen Namen Franz Krajewski
hörte, alles verraten hatte, konnten sie der Bande ganz anständig die Hölle heißmachen.
Der falsche Kaiser hatte geplaudert wie ein Radio. Noch auf dem Gerüst hatten sie ihn ausgequetscht, bevor sie ihn laufen
ließen. Rath hatte einen Einblick bekommen, wie Wolter seine Informanten rekrutierte. Die Brutalität seines Kollegen hatte
ihn überrascht. Schweigend saßen sie nebeneinander. Rath war klar, dass die Nummer auf dem Gerüst auch eine Lektion hatte
sein sollen, eine Lektion für den Neuen aus der Rheinprovinz. Wolter schien Raths Gedanken erraten zu haben.
»Wenn du so eine Ratte einlochst, bekommst du aus ihr gar nichts mehr heraus«, sagte er. »Ist viel sinnvoller, wenn der jetzt
durch Berlin läuft und weiß, dass wir ihn jederzeit einlochen können . Wenn wir ihn so in der Hand haben, dass er es nicht mal mehr wagt, einen Furz zu lassen, ohne uns zu fragen. Ich sage dir,
der Kerl wird uns eine ganze Menge Arbeit ersparen. Hoffen wir nur, dass er sich nicht zu früh den Verstand wegkokst.« Er
lachte und kramte in seiner Jackentasche. »Immer wenn er an das hier denkt, wird er sich vor Angst in die Hosen machen.«
Wolter hatte die Kugel herausgefischt. Die Kugel, die Rath hatte treffen sollen.
»Hier«, sagte er und hielt sie Rath hin.
»Was soll ich damit?«
»Nimm! Schließlich wollte er dich damit abknallen.«
Wolter trat aufs Gas, nachdem sie die Hochbahn am Kottbusser Tor unterquert hatten. Auf der Dresdener Straße war wenig Verkehr.
»Wir sind Partner«, sagte der Onkel. »Wir teilen uns jetzt sogar einen Informanten. Das ist eine Sache allein zwischen uns,
etwas, das niemanden sonst etwas angeht.«
Er hatte Recht. Sie hatten Krajewski laufen lassen, das war gegen jede Dienstvorschrift und gegen jedes Gesetz. Rath war nicht
ganz wohl bei der Sache. Aber die Kollegen hatten die Geschichte gekauft: Der Mann war ihnen leider entkommen. Niemand hatte
es ihnen übel genommen, als sie unverrichteter Dinge in die Hermannstraße zurückgekehrt waren. Die Kollegen hatten das Entkommen
des Kaisers dem Bereitschaftspolizisten angekreidet, den Krajewski bei seiner Flucht niedergeschlagen hatte. Das schlechte
Gewissen hatte den Jungen schweigsam gemacht. Und diensteifrig. Beim Durchkämmen des Ateliers war er so gründlich vorgegangen,
als könne er seinen Fehler damit wieder gutmachen. Rath und Wolter hatten die Arbeiten überwacht, als Jänicke mit der Bande
längst unterwegs war. Sie hatten jede Menge Platten und Abzüge gefunden, mehr als genug für den Staatsanwalt. Und genug, um
König ein bisschen in die
Weitere Kostenlose Bücher