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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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dann werden wir die Agenten einsetzen, um sie unauffällig gegeneinander aufzuhetzen. – Genau, das Bündnis ist so unstabil, wie man sich das nur vorstellen kann. Ein wenig vorsichtiger Druck hier und da, und die beiden begraben bestimmt das Kriegsbeil – ineinander. Wenn dann die Miliz mit dem Rest des Bandenkrieges aufgeräumt hat, können wir unseren Propagandafeldzug für den gesunden Menschenverstand starten. – Sicher, die zeitliche Abstimmung braucht einige Raffinesse, aber das können wir hinkriegen.“
    Als er den Hörer auf die Gabel legte, schien sein Gesicht einen Moment lang einzufallen und zeigte seinen Gram. Er hatte gerade Dutzende von Menschen – die meisten nur verwirrt oder irregeleitet – zum Tode verurteilt. Aber er konnte es nicht ändern. Er mußte das Leben und die Freiheit von Millionen bewahren – der Preis war nicht zu hoch.
    „Wer auf dem Chefsessel sitzt, darf die Verantwortung nicht scheuen“, murmelte er und warf einen Blick auf seinen Terminkalender. Er hatte noch eine Stunde, bis der Vertreter Albanys {1} eintraf. Der würde nicht so leicht zu behandeln sein. Die Stadt verletzte täglich mehrere Staats- und Bundesgesetze – es war unvermeidlich –, und der Gouverneur kochte über vor Zorn. Er wollte den ganzen Staat wieder unter seine Kontrolle bringen. Das war ein verständlicher Wunsch, aber die Zeit war noch nicht reif, und wenn sie es vielleicht einmal war, würden die alten Regierungsformen genauso bedeutend sein wie der Unterschied zwischen Homoousianern und Homoiousianern. Aber es würde eine harte und lange Auseinandersetzung werden, bis er den Mann aus Albany überzeugt haben würde.
    Bis dahin hatte er allerdings noch eine Stunde. Er zögerte den Bruchteil einer Sekunde, ob er an dem neuen Rationierungssystem oder dem Plan zur Ausdehnung von Recht und Ordnung auf Jersey arbeiten sollte. Dann legte er beides zugunsten des neuesten Berichts über die Wasserversorgung zur Seite.
     
     
     

 
10
     
    Das Dämmerlicht im Labor ließ das Pulsieren im Herzen der Maschine um so deutlicher hervortreten – seltsam blau und ruhelos flackerte es zwischen den Spulen und den unbewegten Meßskalen. Grunewalds Gesicht hatte etwas Leichenfarbenes, als er sich darüber beugte. „So“, sagte er überflüssigerweise, „damit hätten wir es, wie’s aussieht.“
    Er legte den Hauptschalter um, das elektrische Summen ging in ein Winseln über, und das Licht erstarb. Einen Moment lang stand er nachdenklich da und betrachtete die betäubte Ratte, die zwischen den Spulen lag. Haardünne Drähte führten von dem rasierten Körper zu den Meßgeräten, die über Johansson und Lewis standen.
    Lewis nickte. „Die Neutralwerte nehmen wieder zu.“ Er berührte die Skalen des Oszillographen mit übertriebener Vorsicht. „Und genau in dem Maß, wie wir es berechnet haben. Du hast also tatsächlich ein Hemmungsfeld erzeugt.“ Es mußten noch weitere Tests vorgenommen werden, detaillierte Untersuchungen, aber das konnten die Assistenten erledigen. Das Hauptproblem war gelöst.
    Grunewald griff mit seinen großen, sonderbar behutsamen Händen nach der Ratte und fing an, die Elektroden herauszuziehen. „Armer kleiner Kerl“, murmelte er, „ich frage mich, ob wir ihm einen Gefallen tun.“
    Corinth, der mürrisch auf einem Schemel gehockt hatte, blickte scharf auf.
    „Was nützt ihm seine Intelligenz?“ fuhr er fort. „Sie macht ihm nur klarer, daß er sich in einer entsetzlichen Lage befindet. Was nützt sie eigentlich uns allen?“
    „Möchtest du denn zum alten Zustand zurückkehren?“ fragte Corinth.
    „Ja.“ In Grunewalds kantigem, hellen Gesicht stand plötzlich Trotz. „Ja, das möchte ich. Es ist nicht angenehm, zu viel oder zu klar zu denken.“
    „Vielleicht“, flüsterte Corinth. „Vielleicht hast du irgendwie sogar recht. Die neue Zivilisation – nicht so sehr ihre Technologie, vielmehr ihr gesamtes Wertsystem, all ihre Träume und Hoffnungen – muß völlig neu aufgebaut werden, und das wird viele Generationen dauern. Momentan sind wir Wilde, mit all der Leere, die ein solches Leben birgt. Das Leben besteht nicht nur aus Wissenschaft.“
    „Nein“, sagte Lewis. „Aber Wissenschaftler haben im großen und ganzen – ebenso wie vermutlich alle möglichen Künstler – ihre geistige Gesundheit durch die Veränderung bewahrt, weil sie in ihrem Leben ein Ziel hatten, auf das sie sich weiter beziehen konnten, etwas außerhalb ihrer selbst, auf das sie sich ganz

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