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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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zumindest in einigen Leuten – existierte. Außersinnliche Wahrnehmung mußte untersucht werden, sobald die Lage sich allgemein beruhigt hatte. Es gab soviel zu tun, und das Leben war so schrecklich kurz.
    Corinth erschauerte. Die Furcht vor dem persönlichen Verlöschen war angeblich eine Reaktion des Heranwachsens; aber in gewisser Weise waren alle Menschen wieder Heranwachsende auf einer neuen Entwicklungsstufe – nein, Kinder, Babys.
    Nun ja, die Biologen würden im Laufe der nächsten Jahre zweifellos irgendwelche Methoden zur Verlängerung der Lebensspanne finden, sie vielleicht auf Jahrhunderte ausdehnen. Aber war das letztlich wirklich wünschenswert?
    Er trat auf die Straße und entdeckte den Wagen, den Rossman ihm zur Verfügung gestellt hatte. Zumindest, dachte er mit einem schiefen Lächeln, als er einstieg, ist das Parkproblem gelöst. Den Verkehr wie früher gibt es nicht mehr.
    Möglicherweise auch kein New York mehr. Große Städte waren ökonomisch nicht mehr zu rechtfertigen. Er kam aus einer Kleinstadt und hatte immer Berge, Wälder und das Meer geliebt. Und doch war etwas an dieser brodelnden, hektischen, überfüllten, harten, unmenschlichen, herrlichen Stadt, dessen Fehlen einen leeren Fleck in der kommenden Welt zurücklassen würde.
    Es war eine heiße Nacht. Das Hemd klebte feucht an seinem Oberkörper, und die Luft schien dickflüssig zu sein. Über ihm, zwischen den abgedunkelten Gebäuden und den toten Leuchtreklamen, flackerten bleich Hitzegewitter, und die Erde lechzte nach Regen. Seine Scheinwerfer schnitten einen trüben Streifen durch die klebrige Dunkelheit.
    Es waren wieder mehr Wagen auf der Straße als noch vor einer Woche. Die Stadt war jetzt ziemlich zur Ruhe gekommen; der Bandenkrieg zwischen der sogenannten Gewerkschaft und den Dynapsychisten, der vor zwei Wochen niedergeworfen worden war, schien das letzte Aufflackern von Gewalt gewesen zu sein. Die Nahrungsmittelversorgung machte immer noch Schwierigkeiten, aber die Menschen arbeiteten wieder, und sie lebten.
    Corinth fuhr auf den Parkplatz hinter seinem Apartmentwohnhaus und ging nach vorn zum Eingang. Die Energierationierungsabteilung hatte dem Gebäude kürzlich wieder den Betrieb des Fahrstuhls bewilligt, was eine Gnade war. Es hatte ihm nicht gerade Spaß gemacht, fünfzehn Stockwerke zu Fuß zu gehen, als Elektrizität wirklich knapp war.
    Ich hoffe nur … Er dachte an Sheila, armes Kind, und sie schlief nicht gut; manchmal wachte sie mit einem erstickten Schrei auf und tastete blindlings nach ihm. Er wünschte, seine Arbeit würde ihn nicht aus ihrer Nähe entfernen, sie brauchte dringend Gesellschaft. Vielleicht konnte er ihr irgendeinen Job besorgen, damit ihr die Zeit schneller verging.
    Der Gang auf seiner Etage war, bis auf ein glimmendes Nachtlicht, in Dunkel gehüllt, aber unter der Tür seines Apartments schimmerte Licht hervor. Er sah auf seine Armbanduhr. Normalerweise war Sheila um diese Zeit schon im Bett. Also konnte sie diese Nacht wieder nicht schlafen.
    Er wollte die Tür öffnen, aber sie war verschlossen; er klopfte. Er glaubte, einen leisen Schrei zu hören, und klopfte lauter. Sie öffnete die Tür so heftig, daß er fast ins Zimmer stürzte.
    „Pete, Pete, Pete!“ Sie preßte sich erschauernd an ihn. Als er die Arme um sie legte, spürte er, wie dicht ihre Rippen unter der Haut lagen. Das grelle Licht der Lampe erhellte den Raum und ließ ihr Haar seltsam aufleuchten. Als sie den Kopf hob, sah er, daß es feucht war.
    „Was ist denn?“ fragte er. Er sprach laut, wie früher, und seine Stimme bebte plötzlich.
    „Die Nerven.“ Sie zog ihn herein und schloß die Tür. In ihrem Nachthemd und dem Bademantel sah sie aufrührende Weise jung aus, in ihren Augen aber lag etwas Uraltes.
    „Ziemlich heiß für einen Bademantel“, sagte er, weil ihm nichts Besseres einfiel.
    „Mir ist kalt.“ Ihre Lippen zitterten.
    Sein Mund wurde zu einer harten Linie, er setzte sich in seinen Lehnstuhl und zog sie auf seinen Schoß. Sie legte die Arme um ihn und zog ihn an sich; er spürte, wie sie innerlich bebte.
    „Das ist schlimm“, sagte er, „der schlimmste Anfall, den du bisher hattest.“
    „Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn du nicht bald gekommen wärst“, sagte sie tonlos.
    Dann fingen sie an, in der neuen Vermengung von Wort und Geste, Betonung und Schweigen auf der Grundlage der nur ihnen gemeinsamen Erinnerungen zu reden.
    „Ich habe zuviel gedacht“, erklärte sie. „Wir denken

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