Der Nebel weicht
Morgan. „Meine Anhänger und ich haben nicht die Absicht, noch lange geduldig zuzusehen, wie dieser Stadtrat hartnäckig die Prinzipien des Dynapsychismus ignoriert. Ich warne Sie, wenn Sie nicht bald für eine Reorganisation anhand vernünftiger Richtlinien sorgen …“
North drängte ihn beiseite und wandte sich an Mandelbaum. „Hören Sie, im Hafen liegen fast hundert Schiffe, während die Ostküste und Europa dringend wieder Handel treiben wollen. Meine Leute haben es allmählich satt, daß niemand auf sie hört.“
„Wir haben in letzter Zeit nicht mehr viel aus Europa gehört“, sagte Mandelbaum entschuldigend. „Und die ganze Lage ist so unsicher, daß wir nicht einmal den Versuch unternehmen können, mit anderen Städten an der Ostküste Handel zu treiben. Womit sollen wir außerdem handeln? Wer beschafft Treibstoff für die Schiffe? Tut mir leid, aber …“ In Gedanken fuhr er fort: Es liegt daran, daß es keine erpreßten Schutz- und Schmiergelder mehr gibt, von denen du leben kannst.
„Das liegt einzig an der blinden, ignoranten Sturheit der gegenwärtigen Machthaber“, erklärte Morgan. „Ich habe bereits zwingend bewiesen, daß eine soziale Integration aufgrund der von mir entdeckten psychologischen Prinzipien zu einer Eliminierung …“
Und dein Problem ist, daß du Macht willst und daß es noch zu viele Leute gibt, die nach einem Allheilmittel, einer endgültigen Antwort suchen, dachte Mandelbaum kühl. Du klingst intellektuell, also glauben sie, daß du es bist; eine bestimmte Schicht sucht immer noch nach einem Retter auf einem weißen Pferd, aber er soll möglichst einen wissenschaftlichen Text unter dem Arm halten. Du und Lenin!
„Entschuldigen Sie bitte“, sagte er laut. „Was schlagen Sie vor, Mister North?“
„New York hat als Hafenstadt begonnen und wird früher oder später wieder ein großer Hafen sein. Diesmal wollen wir, daß die Arbeiter, die den Hafen in Gang halten, ihren gerechten, ihnen zustehenden Anteil an seiner Verwaltung bekommen.“
Du willst also auch Diktator werden, dachte Mandelbaum. Laut und nachdenklich klingend sagte er: „Vielleicht ist an dem, was Sie beide sagen, etwas, meine Herren. Aber wir können nicht alle Wünsche gleichzeitig erfüllen, was ihnen klar sein dürfte. Ich glaube allerdings, daß Ihre Gedankengänge nicht wesentlich voneinander abweichen. Weshalb schließen Sie sich nicht zu einer gemeinsamen Front zusammen? Dann könnte ich Ihre Vorschläge vor dem Stadtrat mit wesentlich mehr Überzeugungskraft vertreten.“
Morgans bleiche Wangen liefen rot an. „Eine Bande schwitzender menschlicher Maschinen …“ begann er.
North ballte die Fäuste. „Paß auf, wasde sagst, Sonnyboy!“
„Nein, ehrlich“, sagte Mandelbaum. „Sie wollen doch beide eine besser integrierte Regierung, nicht wahr? Mir scheint, daß …“
Hmmm. Der gleiche Gedanke ließ zwei Augenpaare aufleuchten. Es war verblüffend einfach gewesen, ihn den beiden Männern zu suggerieren. Vielleicht könnten wir gemeinsam … und hinterher werde ich ihn schon los …
Die Diskussion dauerte noch längere Zeit, endete aber schließlich damit, daß Morgan und North den Raum in schöner Eintracht verließen. Mandelbaum spürte förmlich, mit welcher Verachtung die beiden auf ihn herabsahen – hatte er denn noch nie von „teile und herrsche“ gehört?
Mandelbaum überlegte sich, wie traurig es doch war, daß die Menschen sich bisher kaum geändert hatten. Der unbeherrschte Träumer baute nur noch wildere Luftschlösser; der hartgesottene Bandenführer und Scheingewerkschaftler war noch immer von seiner sinnlosen Geldgier besessen, ohne sie überwinden zu können. Aber das würde nicht mehr lange dauern. Schon in wenigen Monaten würde es keine Norths und keine Morgans mehr geben. Die Veränderung, die in ihnen und allen anderen Menschen vor sich gegangen war, würde enden. Aber in der Zwischenzeit waren sie gefährliche Raubtiere, mit denen man fertig werden mußte.
Er griff zum Telefon und benutzte die ihm vorbehaltene Sonderleitung. „Hallo, Bowers? Wie läuft’s …? Passen Sie auf, ich habe den Dynapsychisten und den Hafengangster zusammengebracht. Wahrscheinlich planen die beiden jetzt so etwas wie eine Scheinvolksfront, um Sitze im Rat zu erhalten und dann das Ganze mit Gewalt zu übernehmen – Palastrevolution, Coup d’Etat, wie immer Sie es nennen wollen. – Richtig. Aktivieren Sie unsere Agenten auf beiden Seiten. Ich erwarte komplette Berichte. Und
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