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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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an dem Tag, als sie geheiratet hatten: jung, hübsch und gesund, ihr Haar umrahmte ein Gesicht, das immer noch ein wenig bleich war, ihre Augen leuchteten auf, als sie zu ihm aufblickte. Das weiße Nachthemd ließ sie sehr jung, fast kindlich erscheinen.
    „Pete“, sagte sie.
    Er beugte sich über sie und gab ihr einen sanften Kuß. Sie erwiderte ihn irgendwie zurückhaltend, als käme er von einem Fremden. Als ihre Hände sein Gesicht streichelten, bemerkte er, daß sie keinen Ehering mehr trug.
    „Du lebst“, sagte sie, als sei sie darüber verwundert. „Du bist zurückgekehrt.“
    „Zu dir, Sheila.“ Er setzte sich neben sie auf das Bett.
    „Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
    „Ich liebe dich“, sagte er in seiner Hilflosigkeit.
    „Ich habe dich auch geliebt.“ Ihre Stimme war immer noch sehr leise und sehr weit fort, und er sah die Verträumtheit in ihren Augen. „Darum habe ich es getan.“
    Er nahm sich zusammen, kämpfte um seine Beherrschung. In seinem Kopf dröhnte es.
    „Ich erinnere mich nicht sehr gut an dich, weißt du“, sagte sie. „Ich glaube, mein Gedächtnis wurde auch geschädigt. Es scheint alles Jahre zurückzuliegen, und du bist wie ein Traum, den ich einst liebte.“ Sie lächelte. „Wie mager du bist, Pete! Und irgendwie hart. Alle sind so hart geworden.“
    „Nein“, widersprach er. „Sie machen sich alle Sorgen um dich.“
    „Aber nicht so wie früher. Nicht so, wie ich es kannte. Und du bist nicht mehr Pete.“ Sie setzte sich auf und sprach etwas lauter. „Pete ist gestorben während der Veränderung. Ich habe ihn sterben sehen. Du bist ein lieber, netter Mann, und es tut mir weh, dich zu sehen, aber du bist nicht Pete.“
    „Bitte reg dich nicht auf“, flüsterte er.
    „Ich konnte dir nicht mehr folgen“, sagte sie, „und ich wollte dir – oder mir – diese Last nicht aufbürden. Jetzt bin ich zurückgegangen – und du ahnst nicht, wie wundervoll es ist. Einsam, aber wundervoll. Es liegt Frieden darin.“
    „Ich brauche dich noch immer.“
    „Nein. Bitte lüg mich nicht an. Es ist nicht nötig, verstehst du!“ Sheila lächelte ihn über Jahrtausende hinweg an. „Du kannst hier ruhig mit unbewegtem Gesicht sitzen – nein, du bist nicht Pete. Aber ich wünsche dir alles Gute und viel Glück.“
    Da wußte er, was sie brauchte, und er gab seine Beherrschung auf, entließ sich aus der neuen Selbstkontrolle. Er kniete sich neben das Bett und weinte, und sie tröstete ihn, so gut sie es vermochte.

 
20
     
    Mitten im Pazifik, ganz in der Nähe des Äquators, liegt eine Insel, weit entfernt von der Welt des Menschen. Die alten Schiffahrtsrouten und später auch die der Fluglinien verliefen jenseits ihres Horizonts, und das Atoll war der Sonne, dem Wind, dem Geschrei der Möwen überlassen gewesen.
    Eine kurze Zeit hatte es auch den Menschen kennengelernt. Die langsame, blinde Geduld der Korallentierchen hatte es wachsen lassen, die Zeit hatte ihre rauhe Oberfläche in fruchtbaren Boden verwandelt, und die Samen der Pflanzen hatten ihre lange Reise mit dem Wind gemacht, um ihn zu finden. Die See hatte ein paar Kokosnüsse an Land gespült, und jetzt gab es Bäume. Sie standen dort vielleicht Hunderte von Jahren, bis ein Kanu über den Rand der Welt kam.
    Es brachte die Polynesier, hochgewachsene, braune Männer, die weit gewandert waren auf ihrer Suche nach Hawaiki, der Wunderbaren. Nur die Sonne und das Salz auf ihrer Haut waren ihre Begleiter gewesen, aber die große Leere der See hatte sie nicht geschreckt, denn sie hatten die Sterne und die Strömungen, die sie leiteten, und ihre Arme, um zu paddeln, tohiha, hioha, itoki, itoki! Als sie ihr Boot an Land gezogen und Non, dem Haifischzähnigen ihr Opfer gebracht hatten, wanden sie Hibiskusblüten in ihr langes Haar und tanzten auf dem Strand; denn sie hatten die Insel gesehen, und sie war gut.
    Dann fuhren sie wieder fort, aber im nächsten Jahr – oder im Jahr darauf oder dem Jahr danach, denn der Ozean war groß, und die Zeit war unermeßlich – kehrten sie mit anderen zurück, brachten Frauen und Schweine mit, und die Nachtfeuer brannten an allen Stränden. Später dann erhob sich ein Dorf aus Strohhütten, und nackte, braune Kinder tummelten sich in der Brandung, während die Fischer mit viel Gelächter aufs Meer hinausfuhren. Und so verstrichen hundert Jahre oder zweihundert, bis die bleichen Männer kamen.
    Ihre großen Kanus mit den weißen Schwingen liefen die friedliche Insel nur wenige Male

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