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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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obwohl es eine Zeitlang fast so aussah.“ Mandelbaum nahm den Physiker beim Arm. „Drücken wir es so aus: Sie ist die alte Sheila – wie vor der Veränderung. Fast.“
    Corinth nahm benommen wahr, wie frisch und belebend der Wind vom Meer herüberwehte.
    „Komm, Pete“, forderte Mandelbaum ihn auf. „Ich bringe dich zu ihr.“
    Corinth folgte ihm schweigend.
    Kearnes, der Psychiater erwartete sie am Bellevue. Sein Gesicht war hölzern, aber es zeigte kein Gefühl von Scham, und in Corinth war keins, das einem Vorwurf oder etwas Ähnlichem entsprach. Der Mann hatte sein Bestes getan, mit dem unzureichenden Wissen, das ihm zur Verfügung stand – und versagt. Das waren die Tatsachen, nicht mehr und nicht weniger.
    „Sie hat mich überlistet“, sagte Kearnes. „Ich dachte, sie würde sich langsam erholen. Ich war mir nicht darüber im klaren, wieviel Selbstkontrolle selbst ein Geisteskranker mit dem veränderten Nervensystem noch hat. Auch war mir, glaube ich, nicht klar, wie schwer, wie schlimm das alles von Anfang an für sie war. Niemand von uns, niemand von denen, die die Veränderung ertragen und überstanden haben, wird je wissen, was für ein Alptraum sie für die gewesen sein muß, die sich nicht anpassen konnten.“
    Düsternis, die sich auf sie herabsenkte – und Sheila allein. Nachtmahre, die sie bedrohten – und Sheila allein.
    „Wie wahnsinnig war sie, als sie es tat?“ fragte Corinth mit flacher Stimme.
    „Was ist Wahnsinn, was ist normal? Vielleicht war es das beste, was sie tun konnte. War die Aussicht, möglicherweise geheilt zu werden – sobald und falls wir wissen, wie – dieses Dasein wert?“
    „Wie sehen die Auswirkungen aus?“
    „Hm, sie ist natürlich ziemlich stümperhaft vorgegangen. Innere Verletzungen und Knochenbrüche durch die Krämpfe – sie wäre gestorben, wenn man sie nicht rechtzeitig gefunden hätte.“ Kearnes legte Corinth eine Hand auf die Schulter. „Die Menge des tatsächlich zerstörten zerebralen Gewebes ist ziemlich gering, aber es befand sich natürlich im kritischsten Bereich des Gehirns.
    „Felix hat mir gesagt, daß sie … sich gut erholt.“
    „Oh, ja.“ Kearnes lächelte verzerrt, als ob er auf etwas Saures gebissen hätte. „Es ist nicht schwer, die menschliche Psychologie vor der Veränderung zu verstehen – nicht mehr. Ich habe die dreisträngige Behandlungsmethode benutzt, die seit der Veränderung von Gravenstein und de la Garde entwickelt wurde. Symbologische Neubewertung, kybernetische Neurologie und somatische Koordinationshilfen. Es war noch ausreichend gesundes Gewebe verblieben, um unter entsprechender Anleitung die Funktionen des zerstörten Teils zu übernehmen. Ich denke, wir können sie in drei Monaten entlassen.“
    Er holte tief Luft. „Sie wird dann einem normalen, gesunden Menschen vor der Veränderung mit einem IQ von einhundertfünfzig entsprechen.“
    „Ich verstehe …“ Corinth nickte. „Und … wie stehen die Chancen, sie vollständig wieder herzustellen?“
    „Es wird zumindest einige Jahre dauern, bis wir in der Lage sind, Nervengewebe wachsen zu lassen. Es regeneriert sich nämlich selbst unter künstlicher Stimulation nicht. Wir sind gezwungen, das Leben selbst synthetisch zu erzeugen, eine Milliarde Jahre dauernde Evolution zusammenzuziehen, um die menschliche Gehirnzelle zu entwickeln und dabei das genetische Muster des Patienten exakt zu duplizieren – aber selbst dann ist der Erfolg fraglich.“
    „Ich verstehe.“
    „Sie können sie kurz besuchen. Wir haben ihr gesagt, daß Sie leben.“
    „Wie hat sie reagiert?“
    „Heftig geweint natürlich. Das ist ein gesundes Symptom. Sie können eine halbe Stunde bleiben, wenn Sie sie nicht zu sehr aufregen.“ Kearnes gab ihm die Zimmernummer und ging zurück in sein Büro.
    Corinth nahm den Fahrstuhl und ging durch einen langen Korridor, der nach regenfeuchten Rosen duftete. Als er Sheilas Zimmer erreichte, stand die Tür offen, er zögerte einen Moment und warf einen Blick hinein. Es glich einer Laube in einem Wald: Farne und Bäume und das leise Gezwitscher von Vögeln; irgendwo rauschte ein Wasserfall, und in der prickelnden Luft hing der Geruch nach Erde und Laub. Das meiste davon war Illusion, nahm er an, aber wenn sie sich darin wohlfühlte …
    Er trat ein und näherte sich dem Bett, das am Rande einer sonnigen Wiese zu stehen schien. „Hallo, Liebling“, sagte er.
    Das Seltsamste an allem war, daß sie sich nicht verändert hatte. Sie sah aus wie

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