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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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Reißverschluß ...«
      Bemüht, einen Brechreiz zu unterdrücken, berührte sie ihn und sagte: »Ich hätte nie gedacht, daß du dich mit einem so leichten Sieg zufriedengeben würdest. Ich hab' schon immer deine Klugheit bewundert ... die Art und Weise, wie du ins Haus gelangt bist... all deine Nachrichten übermittelt hast.« Jetzt, als sie an der Grenze des Erträglichen angelangt war, hatte sie einen Weg gefunden, zu ihm durchzudringen. Die Lust in seinen Augen vermischte sich mit Mißfallen.
      »Was soll das heißen - ein leichter Sieg?«
      »Naja ... du hast mir nicht einmal die Chance gegeben fortzulaufen. Wo kann ich schließlich schon hinlaufen. Ich werd's nie bis an die Tür schaffen ... oder zum Telefon. Selbst dem Fuchs gibt man eine Chance. Abgesehen davon ... würde dir das nicht gefallen, Fenn? Sei ehrlich ... eine Jagd ... von oben ... nach unten?«
      »Und in das Schlafzimmer der verehrten Dame? Ja ... das würd' mir gefallen. Das Schlafzimmer meiner verehrten Dame. Vielleicht werd' ich dich da einholen. Vielleicht könnt' ich's ja auf dem Bett erledigen ... oder im Bett?«
      Er hatte sie losgelassen. Sie zwang sich, sich nicht zu rühren, als ihr Kleid auseinanderfiel. Er beobachtete sie.
      »Gibst du mir einen Vorsprung?«
      »Ich weiß nicht.« Er sah sie an, parodierte auf makabre Weise das Lächeln eines Verliebten. »Nicht zuviel auf einmal. Wir wollen doch nicht, daß du ein Fenster öffnest und rausspringst, oder? Schummeln gilt nicht, Baby.« Er legte das Messer auf seine Lippen.
      »Wirst du ... wirst du bis zehn zählen?«
      »Fünf, meine Süße ... ich werd' bis fünf zählen ...«
      Mit dem Absatz tastete sie nach der ersten Treppenstufe und trat zurück.
      »Eins.«
      Sie mußte ihn dazu bringen, sich ganz auf sie zu konzentrieren. Was immer auch geschehen mochte, er durfte sich nicht umsehen. Sie wollte sich umdrehen und losrennen, wagte es aber nicht.
      »Zwei.«
      Er konnte nicht aufhören, sie anzustarren. Noch nie zuvor, weder in all seinen Büchern und Zeitschriften noch in seinen aufregendsten Fantasien, hatte er so göttliche Brüste gesehen. So voll und schwer und golden; ihre Haut hatte die warme Farbe ihres Kleides. Jetzt wünschte er, er hätte den Schnitt ein wenig tiefer gezogen. Aber er hatte noch viel Zeit. Er hatte nie zuvor eine Frau wie sie gehabt. Und natürlich galt das umgekehrt ebenso. Sie hatte wahrscheinlich keine Ahnung, wie es wirklich sein konnte. Sobald sie das herausfinden würde, wäre sie vielleicht ebenso aufdringlich wie Sonia. Unfähig, ihn in Ruhe zu lassen. Aber natürlich gab es nur dieses eine Mal. Oder nicht? Er war verwirrt.
      »Drei. Du wirst mir nicht entwischen, kleiner Fuchs. In einer Minute werd' ich mich auf dich stürzen.«
      An ihren Fußsohlen spürte sie jede einzelne Rille des Teppichs auf der Treppe, auf dem polierten Geländer sah sie jeden Abdruck ihrer Hände. Die Welt war darauf zusammengeschrumpft. Sie fühlte sich ungeheuer lebendig, war sich ihres Herzschlags, ihres Nervensystems und der Zirkulation ihres Bluts bewußt. Wenn sie beim nächsten Schritt diagonal nach hinten trat, wäre sie nicht mehr in der Schußlinie.
      »Vier.«
      Eine Explosion erschütterte die Diele. Das Geräusch war beängstigend. Wie eine Bombe. Der Lärm lief die Wände entlang, wurde zurückgeworfen, schallte wider, bis Rosa meinte, ihr würde der Kopf platzen. Ein lautes Splittern, und das Glas der Dielentür zerbarst.
      Fenn kam über die Treppe auf sie zu. Auf seiner Brust blühte eine Rose auf. Er schrie ihr schmutzige, abscheuliche Dinge zu. Sie wich zurück. Sein Gesicht war leer, seine Augen ausdruckslos, doch er kam auf sie zu. Ein zweiter Schuß fiel, und unterhalb der ersten entstand eine zweite Rose, deren Blüten sich üppig und langsam entfalteten, bis sich die beiden Rosen trafen. Er ließ das Messer fallen und breitete seine Arme aus.
      Er flüsterte: »Fünf«, doch seine Stimme war tonlos, hatte nur noch eine Ahnung von Leben in sich. Dann fiel er würdevoll und sorglos in die Diele zurück.

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