Der Neid eines Fremden
Vergnügen daran, sie von der Wand zu nehmen. Diejenigen, die es nicht ganz geschafft hatten. Gewöhnlich riß er ihre Gesichter ganz langsam in zwei Hälften, manchmal verbrannte er sie in einer Untertasse, wobei er beobachtete, wie der Teil eines Lächelns oder eine Korkenzieherlocke zusammen mit einer glänzenden Pupille erst hellbraun, dann schwarz wurde und in graue Flocken zerfiel.
Manchmal dauerte es einige Zeit, bis die leere Stelle wieder gefüllt war. Er hatte keine Eile. Nach und nach gestaltete er die drei Wände genauso, wie er es sich vorgestellt hatte. Die vierte war bis auf einige Regale, auf denen er eine Sammlung äußerst ungewöhnlicher Bücher untergebracht hatte, von der Tür eingenommen. Auf gewisse Weise war die dem Fenster gegenüberliegende Wand die befriedigendste. Sicherlich die glanzvollste. Ein Odeon der Stars. Auf »Odeon« war er stolz. Er war in einer amerikanischen Zeitschrift darauf gestoßen, und es schien ihm das treffendste Wort für seine glitzernde Pracht zu sein. Jetzt benutzte er es ständig, ohne sich seiner Herkunft zu erinnern. Unbekannte Wörter übten eine starke Anziehung auf ihn aus, deshalb hatte er immer ein kleines Notizbuch für seine »Aufzeichnungen« bei sich. Viele der Photos waren signiert, einige sogar mit einer Widmung versehen. »Alles Gute, Burt Reynolds«. »Mit den besten Wünschen, Faye Dunaway«. Und sein Name war erwähnt. Sein wirklicher Name, auf den er getauft war. Als er das letzte Mal jemanden in sein Zimmer ließ, hatte sich die Besucherin das Photo von Robert Redford angeschaut (»Für Fenn - mit den besten Wünschen«) und behauptet, die Unterschrift sei lediglich aufgedruckt. Es hatte keinen Zweck, darüber zu streiten. Er wußte, daß es einem einfühlsamen Menschen wie Robert Redford, der für seine Bemühungen um aussterbende Tierarten bekannt war, nicht im Traum einfallen würde, so unaufrichtig zu sein. Das Mädchen hatte nie erfahren, wieso er es später zum Weinen gebracht hatte.
Die zweite Wand war eindeutig von minderer Qualität. Theater- und Fernsehschauspieler, die meisten von dieser Seite des großen Teiches. Ihre Ausstrahlung mußte zwangsläufig schwächer sein. Hollywood war nun einmal einzigartig. Da gab es Ian McKellan, dessen kantiges Gesicht und funkelnde dunkle Augen eine mühsam beherrschte, fiebrige Energie verrieten. Fenn bewunderte solche Menschen: er konnte ihre Gefühle nachvollziehen. Da gab es Schauspieler aus Die Profis und The Sweeney, und Dennis Waterman in Minder. Niemanden aus dem leichteren Genre. Er sah sich nie Komödien an. Hatte er es doch einmal versucht, dann hatte er in einem Zustand höchster Verwirrung das Fernsehen abgeschaltet. Sie schienen immer von Versagern zu handeln. Zwielichtige alte Männer, die sich mühsam durchschlugen, Pläne, die zu nichts führten. Ein junger Amerikaner (Herrgott, wenn er doch die Chancen eines Shelley gehabt hätte) ohne Arbeit. Dumme Frauen, die nicht einmal ein anständiges Essen kochen konnten und sich dann wunderten, wieso sie einsam waren.
Die dritte Wand war den Persönlichkeiten vorbehalten. Mit anderen Worten, Leuten ohne besondere Fähigkeiten oder Talente, die im Gegensatz zu ihm allerdings den Durchbruch geschafft hatten. Leute wie Esther Rantzen und Nicholas Parsons, Terry Wogan und Anna Ford. Genau in der Mitte der Wand war eine leere Stelle, ein Viereck von dreißig Zentimetern Durchmesser.
Einer der Vorteile, die das Leben in London mit sich brachte, war der, daß man die Berühmtheiten leibhaftig zu sehen bekam. Einmal, als er die St. James Street entlanggeschlendert war, hatte er Kenny Everett in einer Drogerie verschwinden sehen. Er war ihm sofort gefolgt, und sie hatten nebeneinander am Tresen gestanden. Als die Verkäuferin auf sie zukam, hatte er, ohne daß sie sich an ihn gewandt hätte, prompt gesagt: »Ich glaube, dieser Gentleman war vor mir dran«, als wisse er um alles in der Welt nicht, wer der Herr neben ihm war. Kenny hatte ihn angesehen, ein bißchen die Stirn gerunzelt, als frage er sich, ob er ihn von irgendwo kannte, und sich dann bedankt. Ein anderes Mal war er bei Harrods zusammen mit Janet Street Porter im Aufzug gewesen.
Mit den Filmstars war das natürlich eine ganz andere Sache. Sie lebten hinter hohen Mauern, die durch Alarmanlagen gesichert waren und von uniformierten Männern mit Dobbermännern patroulliert wurden. Sie verbrachten ihre Zeit damit, braungebrannt ihre Bahnen durch tiefblaues Wasser zu
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